Langzeitporträts der Jahrhundertwendegeneration

Alle Menschen müssen sterben, vielleicht auch ich (1/4)

54:25 Minuten
Zu sehen: Ein älteres Ehepaar (Josef und Frieda) aus den 1970er Jahren.
Wer ist diese Jahrhundertwendegeneration? Wie denkt sie wirklich? © picture alliance / United Archives
Von Sonya Schönberger und Norbert Lang · 02.01.2024
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BRD, 1965–1984. Eine wissenschaftliche Langzeitstudie befragt die alt gewordene Jahrhundertwendegeneration und bringt ein faszinierendes Tonarchiv hervor. In Folge 1 stellen wir Frau Rahm vor, die nach dem Krieg den sozialen Abstieg erlebt.
Sie sind im Kaiserreich geboren, waren zur Zeit des Ersten Weltkriegs Jugendliche, im Zweiten Weltkrieg bereits erwachsen und haben danach die Bundesrepublik aufgebaut. Doch abgesehen von einigen Stereotypen weiß man recht wenig über diese Generation: Waren sie wirklich so konservativ, wie sie von den 68ern oft beschrieben wurden? Wie haben sie gelebt und gedacht? Wie standen sie zum Altern und zum Tod? Zu Freundschaft, Ehe, Liebe und Sex? Das vierteilige Feature nähert sich dieser Generation mit Hilfe von Tonaufnahmen aus der Bonner Längsschnittstudie des Alterns (BOLSA), für die zwischen 1965 und 1984 Interviews mit älteren Menschen durchgeführt wurden. Das Besondere der Studie: Viele Teilnehmer:innen wurden über mehrere Jahre hinweg immer wieder ausführlich zu vielfältigen Lebensthemen befragt. Es entstand eine Langzeitbeobachtung des Alterns – im Alter.
Vier der damaligen Studienteilnehmer:innen wurden mit ihren Lebensgeschichten für dieses Feature ausgewählt. In der ersten Folge wird Frau Rahm (Pseudonym) vorgestellt, eine „gepflegte, ältere Dame, die auf sich hält, sich geschickt kleidet“. Im Riga der 1920er Jahre baute sie eine gefragte Schneiderei auf, während des Zweiten Weltkrieges kam sie an ein Textilgeschäft von enteigneten Polen. Nach 1945 wurde sie aus Polen ausgewiesen und gelangte nach Deutschland. Sie verarmte und ließ sich von ihrem Mann scheiden.
Im Anschluss folgt ein Gespräch mit der Historikerin Christina von Hodenberg. Sie stieß 2014 bei Forschungen zur Alt-68er-Generation auf das BOLSA-Archiv, das bis dahin fast vergessen war. Seitdem hat sie große Teile des Archivs selbst gesichtet und auch die Digitalisierung des umfangreichen Tonarchivs gemeinsam mit der Universität Halle auf den Weg gebracht.
Mit besonderem Dank an Dr. Katrin Moeller und das Historische Datenzentrum Sachsen-Anhalt am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Alle Menschen müssen sterben, vielleicht auch ich (1/4)
Die Jahrhundertwendegeneration in vier Langzeitporträts
Teil 1: Frau Rahm, geboren 1893 in Kandau (Kandava)
Von Sonya Schönberger und Norbert Lang
Regie: die Autor:innen
Mit: Imogen Kogge, Katharina Leonore Goebel, Asad Schwarz-Msesilamba
Wissenschaftliche Beratung: Christina von Hodenberg
Ton: Norbert Lang
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2022
Länge: 54‘18

Eine Wiederholung vom 30.08.2022

Teil 2 am 09. Januar, um 22:03 Uhr

Sonya Schönberger lebt als Bildende Künstlerin in Berlin. Sie arbeitet mit den unterschiedlichsten Archiven, die sie entweder erstellt oder findet. Mit deren Hilfe untersucht sie die Auswirkungen nationaler Traumata auf die nachfolgenden Generationen. Schönberger bedient sich bewusst und je nach Projekt unterschiedlicher Medien wie Fotografie, Theater, Film, Installation oder Audioformaten.

Norbert Lang ist Radiomacher und Soundkünstler. Er studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis mit den Schwerpunkten Musik und Medien an der Universität Hildesheim, macht Features, Radioessays, Audiowalks, ist als Moderator tätig und komponiert Musik für Hörspiel, Tanz und Theater. Für Deutschlandfunk Kultur 2018 mit Sonya Schönberger das Feature: „André Müller – aus dem Kassettenarchiv eines radikalen Interviewers“. Letztes Hörspiel: „How dare you, Echo einer Rede“ (BR 2020).

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