Erzählen gegen die Krise II

Zwischen Dokumentieren und Erfinden

ineinander laufende Wasserstrudel
Es braucht eine Charta der Flüsse, in der es darum geht, den Fließgewässern ihr Recht auf Existenz zu sichern - wie im Hörspiel über die Konferenz der Flüsse © Susan Wilkinson / unsplash
04.02.2024
Wem können wir eine Stimme geben, mit welchen Mitteln Krise erzählen, sodass sie möglichst vielen verständlich wird? Marcus Gammel und Barbara Schäfer laden künstlerische und journalistische Projekte ein, sich dem Publikum im Deutschlandfunk vorzustellen.
Podcast, Roman, Vortrag, Hörspielserie, ein klangkünstlerisches und ein dokumentarisches Projekt: ganz unterschiedliche Formen und Konzepte erzählen die „Krise“, die sich global facettenreich zeigt.

attention: tension

Vortrag von Ingo Kottkamp am 9.3. um 10.00 Uhr, Konferenzraum EG 182/183
Dass Geschichten spannend sein sollen, wenn sie gehört werden wollen, gilt als gesetzt. Wie ist es aber im dokumentarischen Fach, wo wahre Geschichten erzählt werden. Sind die denn immer spannend? Und wenn nicht, muss man sie dann spannend machen?
Ausgehend von diesen einfachen Fragen wird darüber nachgedacht, was Spannung und was dokumentarisches Erzählen eigentlich sind, wo sie zusammenkommen und wo nicht. Dahinter steht die Suche nach einer nachhaltigen Dokumentarkunst, die in Zeiten globaler Krisen ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnimmt.
Portrait eines Mannes mit kurzen Haaren und Brille. Es ist der Feature-Redakteur Ingo Kottkamp.
Ingo Kottkamp© privat/Robert Kottkamp

Ingo Kottkamp, Jahrgang 1972, geborener Hör-Enthusiast und seit vielen Jahren fürs Radio tätig: als Autor, Regisseur, Sprecher, Moderator und seit 2007 als Feature-Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur.

Eine Grüne Mauer für den Sahel

Feature-Serie
mit Bettina Rühl, Wolfgang Schiller am 9.3. um 11.00 Uhr, Konferenzraum EG 182/183
Die Staaten am Rande der Sahara leiden besonders unter den Folgen der Klimakrise. Eine Grüne Mauer aus Bäumen quer durch den Kontinent soll die Sanddünen aufhalten. Kann das gelingen?
Wetterextreme, politische Krisen und Kriege werfen die Menschen immer wieder zurück. Bettina Rühl reist für den Deutschlandfunk in fünf Länder des Sahel, von West nach Ost, in den Senegal, nach Burkina Faso, nach Nigeria, in den Tschad und nach Äthiopien. Beim Kölner Kongress erzählt sie von ihrer Reise und ihren Begegnungen mit Menschen, die noch an die Zukunft glauben. Die grüne Mauer – ursprünglich kein Projekt gegen die Klimakrise, sondern schlicht gegen die Verwüstung - ist dabei nur der Ausgangspunkt der Recherche. Politische Stabilität, das Zurückdrängen des Terrorismus, Bildung und nachhaltige Landwirtschaft, alles spielt zusammen, wenn es darum geht, ob die Lebensgrundlagen in diesen Ländern erhalten bleiben.
Portrait einer Frau mit halblangem blonden Haar. Es ist die Feature-Autorin Bettina Rühl.
Feature-Autorin Bettina Rühl© Jürgen Naber

Bettina Rühl, geboren 1965 in Bad Homburg, lebt seit 2011 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Von dort berichtet sie für den ARD-Hörfunk, Zeitungen und Magazine. Für ihre Features wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2015 mit dem „Prix Europa“ für das beste investigative Radiofeature. Seit 2011 ist sie Mitglied des Korrespondentennetzwerks weltreporter.net, seit 2017 dessen Vorsitzende.

Die Konferenz der Flüsse

Hörspiel über die aquakulturelle Revolution
Mit Denise Reimann, Frank Raddatz, Leopold von Verschuer und Christine Grimm
am 9.3. um 12.00 Uhr, Konferenzraum EG 182/183
Ein einmaliges Ereignis nimmt seinen Lauf: Die Flüsse der Welt nehmen erstmals an einer gemeinsamen Zusammenkunft teil. Anlass ist die Situation der Erde, der menschengemachte Klimawandel und dessen gravierende Auswirkungen auf die Flüsse.
Menschen und Flüsse stehen in einer beständigen Wechselwirkung zueinander: Sie können sich gegenseitig großen Schaden zufügen, sie können einander aber auch von großem Nutzen sein. Zu dieser Einsicht kommen die Flüsse im Verlauf ihrer Konferenz, nicht zuletzt auch durch die Redebeiträge des Styx, der als Vertreter der imaginären, im Symbolischen liegenden Flüsse, die Zusammenkunft bereichert. Doch wie können sie den Menschen diese Erkenntnis klarmachen?
Es braucht eine Resolution auf internationaler Ebene, eine Charta der Flüsse, in der es um nichts weniger geht als darum, den Fließgewässern ihr Recht auf Existenz zu sichern. Die Flüsse wollen sich Anwälte nehmen, ihre Widersacher verklagen und ihre Geschichte endlich selbst schreiben. Was auf dem Spiel steht, ist schließlich die gesamte Natur.
Portrait einer Frau mit halblangen Dunklen Haaren. Es ist die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Denise Reimann.
Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Denise Reimann© Christof Gahlen
Portrait eines Mannes mit kurzen Haaren und blauer Jacke. Es ist Schauspieler und Regisseur Leopold von Verschuer.
Der Schauspieler und Regisseur Leopold von Verschuer. © M.Knickriem
Portrait eines Mannes mit Brille und Bart. Es ist der Publizist, Dramaturg und Theaterregisseur Frank Raddatz.
Dramaturg und Theaterregisseur Frank Raddatz© Sonja Rothweiler

Denise Reimann lehrt und forscht am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin. Frank Raddatz ist Dramaturg, Publizist und Theaterregisseur und lebt in Berlin. Leopold von Verschuer ist Theater- und Hörspielregisseur, Schauspieler und Übersetzer und lebt mit seiner Familie in Köln.

Podcast Schmetterlingseffekt. Wie Weltkrisen unser Leben verändern

Podcast von Sarah Zerback
am 9.3. um 14.00 Uhr, Konferenzraum EG 182/183
Klimawandel, Krieg, Krise: Kann mal bitte jemand kurz die Welt anhalten? Im Podcast „Schmetterlingseffekt“ treffen wir Menschen, deren Leben die Zeitenwenden auf den Kopf stellen.
Wie gehen andere damit um, dass sich die Welt vor lauter Krisen gefühlt schneller dreht? Anhand persönlicher Geschichten denken die Hosts Sarah Zerback und Bijan Moini darüber nach, was die vielen Zeitenwenden mit uns als Gesellschaft machen. Und zusammen suchen wir nach Wegen, wie wir da gut durchkommen.
Portrait einer jungen Frau mit dunklen Haaren. Es ist die Deutschlandfunk-Redakteurin Sarah Zerback.
Deutschlandfunk-Redakteurin Sarah Zerback© Deutschlandradio/Simon Detel

Sarah Zerback ist Redakteurin beim Deutschlandfunk. In der Redaktion Zeitfunk moderiert sie alle tagesaktuellen Sendungen, von den "Informationen am Morgen" bis zum "Journal vor Mitternacht". Außerdem ist sie als Host im Podcast-Team von "Der Tag" und seit 2023 im Podcast „Schmetterlingseffekt“ zu hören, den sie zusammen mit Jana Wuttke entwickelt hat.

Der Sandkasten

Roman von Christoph Peters
am 9.3. um 15.00 Uhr, Konferenzraum EG 182/183
„Der Sandkasten“ spielt in der Coronahochzeit 2020/2021, während einer weltumspannenden Krise, die bis heute Nachwirkungen auf das globale wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben hat. Wie Krise erzählen? Der Schriftsteller Christoph Peters hat es in einem dichten Roman versucht, der die Gegenwart höchst skeptisch reflektiert.
Hauptperson ist der Berliner Radiomoderator Kurt Siebenstädter, der in einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt die großen Interviews führt. Siebenstädter hat Zweifel an den staatlichen Maßnahmen aber auch Abscheu gegenüber Anhängern verschiedenster Verschwörungstheorien. Lange wähnte sich der Moderator des „wichtigsten bundesweiten Infoprogramms am Morgen“ als unerbittlich kritischer, rebellischer Vorkämpfer für Offenheit, Liberalität und Toleranz. Jetzt muss der „Radiotribun im Demokratietheater“ aber feststellen, dass seine Zeit abgelaufen ist. Kurt Siebenstädter wird mittlerweile als Reaktionär betrachtet. In der aufgeheizten Berliner Politszene, bei seinen Rundfunk-Vorgesetzten und bei der Fangemeinde verliert er an Respekt und Einfluss.
Explizit bezieht sich Christoph Peters auf Wolfgang Koeppens 1953 erschienenen Roman „Das Treibhaus“. Dessen Hauptfigur ist der Mittvierziger Felix Keetenheuve, Journalist in der Weimarer Republik, der während des Dritten Reichs vorwiegend im englischen Exil Rundfunksendungen Richtung Deutschland schickte. Nach 1945 kehrt er nach Deutschland zurück und wird Bundestagsabgeordneter für die SPD.
Porträt eines Mannes mit Brille und im Jacket vor einem Zaun
Schriftsteller Christoph Peters© Peter von Felbert

Christoph Peters wurde 1966 in Kalkar am Niederrhein geboren und studierte nach dem Besuch des Bischöflichen Internatsgymnasiums "Collegium Augustinianum Gaesdonck" Malerei an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe, 1993 als Meisterschüler. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin. 2018 erhielt er den Wolfgang-Koeppen-Preis der Hansestadt Greifswald. Der Roman „Der Sandkasten“ erschien im Luchterhand Verlag 2022.

Peatland Paradise. Über Moore, eine Welt zwischen Wasser und Land

Klangkünstlerisches Projekt von Merzouga
mit Eva Pöpplein, Janko Hanushevsky und Sabine Küchler
am 9.3. um 16.00 Uhr, Konferenzraum EG 182/183
Das Duo Merzouga berichtet über eine Arbeit, die eine zeitgenössische Klanglandschaft aus Moor-Sounds komponiert, unter Verwendung von Lyrik von Seamus Heaney, Poems von Emily Brontë und Field-Recordings des irischen Bioakustikers Tom Lawrence.
Das Moor: schmatzende Sumpflandschaften, in denen Schilfpflanzen, Torfmoose und Gräser wachsen. Ein Lebensraum, der eine immense Artenvielfalt in sich birgt. Intakte Moore sind ein gigantischer CO₂-Speicher. Werden sie trockengelegt, setzen sie gigantische Mengen an im Torf gespeichertem CO₂-frei. In Deutschland wurden über 90 Prozent der Moorflächen trockengelegt.
In unserer Wahrnehmung sind Moore seit jeher unheimlich, düster, menschenfeindlich. Noch heute irrlichtern negativ konnotierte Bilder in unseren Köpfen, wenn wir ans Moor denken. Morde, Moorleichen und Unfälle mit Todesfolge. Diese kulturellen Figuren leisteten Jahrhunderte lang der Ausbeutung und Trockenlegung von Moorböden Vorschub. Die Forschenden des Greifswald Moor Centrums sind sich daher sicher, dass es neben wissenschaftlichen Daten auch eine kulturelle Neuerzählung des Naturraums Moor braucht, um seinen Schutz zu fördern.
Merzouga
© Merzouga

Das Duo Merzouga (Janko Hanushevsky und Eva Pöpplein) produziert Klangkompositionen und -installationen, Radiofeatures und Hörspiele, wie zuletzt das „Logbuch der Gegenwart“ (Deutschlandfunk 2022). Merzouga spielt und komponiert ebenso Musik für Radio, Film und Theater, Klanginstallationen entstanden u.a. im Humboldt Forum Berlin, in der Alten Pinakothek München, im Museum Schnütgen Köln und im Museum Morsbroich. Die Arbeit des Duos wurde mehrfach ausgezeichnet.

Podcast 100 aus 100.
Die große Krisen-Hör-Spiel-Show

Performance und Präsentation
mit Jörg Albrecht und Jakob Roth
am 9.3. um 18:30 Uhr, Foyer
2024 feiert das Hörspiel sein 100-jähriges Jubiläum. Der Podcast „100 aus 100: Die Hörspiel-Collection“ von ARD/Deutschlandfunk Kultur begeht das mit 100 ausgewählten Werken, gehosted von Lyrikerin Nora Gomringer und Autor Jörg Albrecht. Mit dabei sind u.a. Orson Welles Pionierarbeit „The War of the Worlds“, Christoph Schlingensiefs „Rocky Dutschke ’68“ oder Susann Maria Hempels  „Auf der Suche nach den verlorenen Seelenatomen“. In einer interaktiven Hör-Spiel-Show stellen Podcast-Host Jörg Albrecht und BR-Mitarbeiter Jakob Roth verschiedene Formen von Spiel mit der hörbar gemachten Krise vor. Sind die Köln-Beschimpfungen von Rolf Dieter Brinkmann im Stück „Die Wörter sind böse“ gerechtfertigt? Ist „War of the Worlds“ eine Effekt-hascherische Feier der Krise oder sinnvolle Krisenbewältigung? Sie entscheiden. Mehr Infos zum Podcast und zu den einzelnen Hörspielen.
Portrait eines Mannes mit kurzen Haaren und Brille. Es ist der Autor Jörg Albrecht.
Der Autor Jörg Albrecht© Ute Friederike Schernau
Portrait eines Mannes mit kurzen Haaren und Brille. Es ist Regisseur und Dramaturg Jakob Roth.
Der Regisseur und Dramaturg Jakob Roth. © privat

Jörg Albrecht, geboren 1981 in Bonn, ist ein deutscher Autor. Er lebt in Münster und arbeitet als Künstlerischer Leiter der Burg Hülshoff. Jakob Roth ist freischaffender Regisseur und Dramaturg für Theater und Film. Er hat an der Hochschule für Schauspielkunst “Ernst Busch” Berlin Regie studiert.

Kurzfristige Änderungen im Programmablauf sind möglich.
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