Das Hörspiel "Srebrenica" wurde von der Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats Juli 2025 gewählt.
Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste:
Was für ein fragiles Gebilde ist die Welt, in der wir leben? Was können wir tun? Können wir Kriege verhindern? Wie können wir überhaupt Verantwortung übernehmen?... Ein berührendes und aufwühlendes Hörspiel über das Massaker von Srebrenica im ehemaligen Jugoslawien der 1990er Jahre, bei dem mehr als 8000 Muslimische Bosniaken systematisch ermordet wurden. Es wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt: der Opfer, der Täter und derjenigen, die daneben standen und nichts gemacht haben.
Das Schreckliche ist, dass die Zuhörenden, wenn sie sich darauf einlassen, mit allen Seiten mitfühlen können. Mit den Opfern sowieso, aber auch mit den Tätern, die - als Ausführende - gezwungen waren, mitzumachen, weil sie sonst selbst Opfer geworden wären. Die dritte Perspektive, die UN-Blauhelm-Soldaten, die eigentlich als Schutztruppe gedacht waren, griffen nicht ein und schleppen diese Schmach den Rest ihres Lebens mit sich rum – einige suizidieren sich.
Das Thema scheint bekannt und hinlänglich aufgearbeitet, aber zwei Dinge machen dieses Hörspiel außergewöhnlich und geradezu zwingend. Zum einen die Auswahl der Interviews und die Stimmen der Vortragenden. Da wird nichts ausgemalt oder dramatisiert. Zurückhaltend und nahezu nüchtern werden die grausamsten Dinge berichtet. Das macht sie nicht erträglicher, aber überhaupt hörbar.
Der zweite Aspekt ist die Kompilation der verschiedenen und zum Teil konträren Erzählebenen. Dadurch werden die Zuhörenden angeregt, sich selbst ein Bild über den Wahnsinn des Krieges zu machen.
Sind solche Gräuel jederzeit wieder möglich? Was für ein fragiles Gebilde ist die Welt, in der wir leben? Was können wir tun? Können wir Kriege verhindern? Wie können wir überhaupt Verantwortung übernehmen?
Srebrenica
Ich zählte mein Leben nur noch in Sekunden
Von Armin Smailovic und Branko Šimić
Mit: Jens Harzer, Vernesa Berbo sowie im Originalton: Ahmo Hasić, Rob Zomer und Dražen Erdemović
Besetzung: Kathi Bonjour
Regieassistenz: Beate Becker
Ton und Technik: Jan Fraune, Frank Klein und Christoph Richter
Musik: Damir Avdić
Lieder (Auswahl und Interpretation): Vernesa Berbo
Regie: die Autoren
Dramaturgie: Barbara Gerland
Deutschlandfunk Kultur 2025
Länge: 54'30
Armin Smailovic widmet sich in seinen dokumentarischen Arbeiten vor allem Gesellschaften in Krisen- und Kriegsgebieten sowie den politischen Folgen von bewaffneten Konflikten. 2010 Gründungsmitglied des Fotodoks-Festivals für Dokumentarfotografie in München, dort bis 2017 Co-Kurator. 2020 Gründungsmitglied der Agentur „Focus – Die Fotograf*innen“. Er ist Autor und Co-Regisseur der Theaterstücke „Srebrenica – I counted my remaining life in seconds …“ und „Atlas der Angst“, die am Thalia Theater in Hamburg gespielt wurden und auf seinen dokumentarischen Werken basieren. Seine Reportage- und Porträtarbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mehrmals beim Hansel-Mieth-Preis, mit dem Preis der Stadt München für herausragende fotografische Leistungen und mit dem 9. Marler Medienpreis Menschenrechte der deutschen Sektion von Amnesty International. Smailovic lebt zwischen München und Sarajevo.
Branko Šimić wurde in Tuzla (Bosnien und Herzegowina) geboren. Er spielte am Freien Theater in Tuzla, studierte Schauspiel an der Akademie der Szenischen Künste an der Universität Sarajevo und Theaterregie an der Universität Hamburg. Seine Inszenierungen wurden in Spielstätten wie Kampnagel, Hebbel am Ufer, Thalia Theater oder dem internationalen Theaterfestival in Sarajevo gezeigt. Er lebt und arbeitet als Theaterregisseur und Festivalkurator in Hamburg.