Klangkunst: Was bedeutet "Zuhören"?

Listening across fault lines (3/3)

22:08 Minuten
Zu sehen sind sattgrüne Inseln im blauen Meer. Darüber verschiedenfarbige Streifen und die Zahl 3. Bay of Islands an der Insel Vanua Balavu, Teil der Inselgruppe Lau in Fidschi.
Bay of Islands an der Insel Vanua Balavu, Teil der Inselgruppe Lau in Fidschi. © Mere Nailatikau / Deutschlandradio
Von AM Kanngieser, Mere Nailatikau und Eliki Reade · 22.06.2023
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• Klangkunst • Wenn Zuhören spirituelle, gesellschaftliche und ökologische Sphären umfasst, wird die Balance und das Ungleichgewicht von komplexen Ökosystemen in der Klimakrise hörbar. Eine Klangkunstserie mit Interviews von den pazifischen Inseln.
Überall im Pazifik ist die Kulturtechnik des Hörens bzw. des Zuhörens lebenswichtig – sie hält Gemeinschaften und Ökosysteme zusammen. Über viele Jahre hinweg haben Mere Nailatikau, Amer Kanngieser und Eliki Reade die Ältesten in den Gemeinschaften auf den pazifischen Inseln befragt, welche Rolle das Hören für sie spielt. Älteste sind Gemeinschaftsmitglieder, die für ihr kulturelles Wissen und ihre Erfahrung anerkannt sind – sie können Stammesführer:innen, Heilkundige, Gelehrte, Fischer:innen, Weber:innen oder Bäuerinnen und Bauern sein: die Menschen, an die sich die Gemeinschaft wendet, um Ratschläge einzuholen. In „Listening across fault lines“ kommen Personen auf Kiribati, den Duke of York Islands in Papua-Neuguinea und Fidschi zu Wort, wie zum Beispiel Unaisi Nabobo-Baba, die erste indigene Fidschianerin, die zur Professorin an einer Universität ernannt wurde.
Die Inselstaaten Kiribati, Papua-Neuginea und Fidschi liegen zwischen Australien und Hawai’i. Sie wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von europäischen Mächten kolonialisiert und erlangten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Unabhängigkeit. Die Duke of York Islands gehörten als Teil des Bismarck-Archipels von 1885 bis 1914 zu den deutschen Kolonien.
Das postkoloniale Machtgefälle zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden setzt sich auch in der internationalen Klimapolitik fort. Während ehemalige Kolonialmächte wegen ihrer hohen Emissionen eine besondere Verantwortung für die Klimakrise tragen, sind ehemals kolonisierte Regionen besonders von der Klimakrise betroffen: Die Republik Kiribati etwa gehört aufgrund ihrer Lage knapp über dem Meeresspiegel zu jenen Ländern, die infolge des Klimawandels in ihrer Existenz bedroht sind.
Die Klangkunstserie „Listening across fault lines“ hört jenen zu, die lange nicht gehört wurden, und fragt sie nach den kulturellen Praxen des Hörens und Zuhörens, die in ihren Gemeinschaften tradiert wurden. Im Mittelpunkt steht dabei die alltägliche Art und Weise, wie die Menschen füreinander und für ihre Heimat sorgen. Welche Geschichten erzählen sie in Zeiten der Klimakrise – und was können wir daraus lernen?
Alle Folgen der Klangkunst-Serie können Sie hier anhören, entweder in der englischen Originalsprache oder in einer Version mit deutscher Übersetzung.
Dieses Projekt wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union im Rahmen des Marie Skłodowska-Curie grant agreement Nr. 886365 gefördert. Es wurde außerdem durch die Seed Box Environmental Humanities Collaboratory gefördert und von der australischen Regierung durch den Australia Council for the Arts, dessen Kunstförderung und Beratungsgremium unterstützt. Es erhielt außerdem Unterstützung durch eine Zusammenarbeit mit dem public policy program der Humphrey School der University of Minnesota.

Ursendung
Listening across fault lines (3/3)
Stories of oceanic life
Von AM Kanngieser, Mere Nailatikau und Eliki Reade
Regie: die Autor:innen
Im O-Ton: Lydia Jacob, Unaisi Nabobo-Baba, Simione Sevudredre, Teweiariki Teaero, Philip Tacom
Mit: Anjorka Strechel, Tonio Arango, Cornelia Schönwald, Udo Schenk, Fritz Hammer und Maria Hartmann                                    
Besetzung: Jutta Kommnick
Ton- und Technik: Martin Eichberg und Sonja Maronde
Regieassistenz: Marie Permantier
Sprachregie Voiceover: Johann Mittmann
Field Recording: AM Kanngieser
Komposition: Daniel Jenatsch
Dramaturgie: Julia Gabel und Johann Mittmann

Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2023
Länge: 22‘02

AM Kanngieser ist Autor:in, Geograf:in und Klangkünstler:in. AM Kanngieser arbeitete zuletzt zu Bewegungen für Selbstbestimmung in Ozeanien, wo sich das Erbe der Kolonisierung durch Ressourcenabbau und Umweltrassismus mit den Auswirkungen der Klimakrise überschneidet. Arbeiten für Documenta 14 Radio, BBC 3, ABC Radio National, The Natural History Museum London, Arts Centre Melbourne, Radio del Museo Reina Sofía, Deutschlandfunk Kultur und QAGOMA.

Eliki Reade ist „Interdependent Producer“ und Künstler:in kailoma-fidschianischer Herkunft (Fijian/European). Eliki Reade arbeitet institutionell und frei, vorwiegend im Bereich “Community Art and Cultural Development”. Produktion und Kuration u.a. für Next Wave Festival, Melbourne Fringe Festival, Emerging Writers Festival, Midsumma Festival, Due West Arts Festival, Arts House, Footscray Community Arts, Blak Dot Gallery, Wyndham City Cultural Centre und SIGNAL.

Mere Nailatikau arbeitet im Bereich Storytelling und Beratung für Forschung, Kommunikation und Diplomatie. Sie ist Mitbegründerin des Two Fishes-Podcasts sowie Moderatorin und Produzentin des Vosa-Podcasts Staffel 2. Aktuell ist sie Fulbright-Stipendiatin an der Humphrey School of Public Affairs (University of Minnesota). Ihre Artikel wurden im Commonwealth Writers Blog, Climate Tracker, Islands Business, DevPolicy und The Lowy Institute’s Interpreter veröffentlicht.

Daniel Jenatsch ist Medienkünstler. Seine Arbeiten kombinieren hyperdetaillierte Klanglandschaften, Musik und Video. Sie wurden in Ausstellungen und Programmen des ACMI, ACCA, UNSW, Arts House, Kunstenfestivaldesarts, der Athen Biennale, des NextWave Festival, des Australian Centre for the Moving Image, des Liquid Architecture Festival, des Museum of Contemporary Art Sydney, und des MousonTurm Frankfurt gezeigt. Er ist Gewinner des John Fries-Preises 2020.

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