Das Geheimnis des René Secretan

Van Goghs Schweigen

Selbstbildnis des niederländischen Malers Vincent van Gogh. Es trägt den Titel "Selbstbildnis mit Pfeife".
Wurde Vincent van Gogh ermordert? © picture alliance / dpa
Von Christoph Prochnow · 12.12.2016
Im Spätsommer des Jahres 1897 erhält Kommissar Joubert von der Witwe des Kunsthändlers Theo van Gogh einen Brief, der ihr anonym zugespielt worden war. Darin wird ein gewisser René Secretan beschuldigt, den Bruder des Kunsthändlers, den berühmten Maler Vincent van Gogh sieben Jahre zuvor ermordet zu haben.
Die Polizei ging damals trotz einiger Ungereimtheiten von einem Selbstmord oder Unfall aus. Vor allem, weil der schwerverletzte Maler bis zu seinem Tod beteuerte, selbst Hand an sich gelegt zu haben. Nun wird Kriminal-Assistent Cocu an den damaligen Tatort Auvers-sur-Oise geschickt, um die alten Ungereimtheiten und die neuen Beschuldigungen zu überprüfen.
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Regie: Andrea Getto
Mit: Jürg Löw, Matti Krause u.a.

Besetzung: Jürg Löw (Kommissar Joubert), Matti Krause (Cocu), Hanna Plaß (Mimi), Nils Beckmann (Rene Secretan), Manuel Harder (Gaston Secretan), Susanna Fernandez-Genebra (Jo van Gogh-Bonger), Svenja Liesau (Adeline Ravoux), Caroline Junghanns (Marguerite Gachet), Boris Burgstaller (Gendarm), Norbert Beilharz (Inspektor Nacquart)

Produktion: Deutschlandradio Kultur 2015

Länge: 53'08

Christoph Prochnow, geboren 1942, studierte an der Filmhochschule Babelsberg, arbeitete im DEFA-Studio für Spielfilme und schreibt seit 1973 Hörspiele. Lebt in Berlin. Zuletzt ermittelten Kommissar Joubert und Assistent Cocu in "Zolas Schornstein" (DKultur 2014). Deutschlandradio produzierte auch: "Hoffmanns Rache" (2007), "Mord im Kopf" (2008), "Der Schatten des Meisters" (2009) und "Der letzte Schritt" (2010).
Historische Figuren in der Kunst als Spiegel des Autors?
Notizen von Christoph Prochnow zum Stück
Wie "richtig" oder "wirklichkeitsgetreu" müssen historische Figuren in der Kunst dargestellt werden? Eine der beliebtesten Journalistenfragen zum Thema lautet in etwa: Inwieweit entspricht die Darstellung Ihrer Hauptfigur der "historischen Wahrheit"? Als ob letztere irgendjemand kennen würde; weder Historiker noch Zeit- oder gar Augenzeugen. Zudem lernen heute schon unsere Kinder in der Schule, dass gleichnamige Gestalten in der Historie und in der Kunst zwei völlig verschiedene Schuhe sein können, nicht müssen!
Am einfachsten hat man es natürlich mit überlieferten Sagengestalten, die es in der historischen Wirklichkeit nie gegeben hat. So konnte Schiller seinen frei erfundenen "Wilhelm Tell" aus vielerlei alten Legenden zusammenbasteln und zum Schweizer Nationalhelden machen.
Problematischer ist schon Richard III. Erst kürzlich haben englische Wissenschaftler nicht nur dessen Gebeine ausgebuddelt, sondern auch übereinstimmend festgestellt, dass dies eigentlich ein "guter König" war, der nur durch gemeinen Verrat fiel und dessen angebliche Gräueltaten vermutlich auf Verleumdungen basieren. Sollten wir deshalb Shakespeares Stück, dass den letzten Plantagenet im Interesse oder gar Auftrag der Tudors zum Oberschurken stilisierte, als "bewusste Geschichtsfälschung" von unseren Bühnen verbannen?
Historische Figuren in der Kunst spiegeln also immer die Sicht ihrer Autoren oder Regisseure.
Doch wie weit dürfen die dabei von "historisch verbürgten Tatsachen" abweichen? Darf Tarantino seinen Hitler vorzeitig in einem französischen Kino umkommen lassen? Durfte Schiller seine beiden Königinnen in einer gemeinsamen Szene konfrontieren, obwohl die historische Elisabeth bekanntlich jeder persönlichen Begegnung auswich? Eigentlich alles irrelevante, wenn nicht unsinnige Fragen, auf die aber alle Autoren ihre eigene Antwort geben müssen.
Die näheren Todesumstände Van Goghs
So auch wir, als wir uns der Versuchung ausgesetzt sahen, in unserer Reihe um tatsächliche oder erfundene französische Kriminalfälle aus der Zeit der Jahrhundertwende auch die näheren Todesumstände von Zola und Van Gogh zu behandeln. Dabei konnten wir uns bei beiden Hörspielen auf wissenschaftliche Forschungen und Erkenntnisse stützen, die in jeweils neuen Todes-Theorien gipfelten und auch international Beachtung fanden. Natürlich wurden auch die wieder angezweifelt, denn endgültige Wahrheiten gibt es bekanntlich kaum. Aber uns schienen diese Hypothesen so einleuchtend und schlüssig, dass wir sie zumindest zur Diskussion stellen wollten. Und dabei auch viele andere interessante Dinge über Zola und Van Gogh vermitteln konnten, die weniger strittig waren und sind.