Hörspiel des Monats Oktober

Alice (1 - 4/8)

Hiobsbotschafterin Alice - eine Collage
Hiobsbotschafterin Alice - Folge 1: Der Schmerz der anderen. © Max Sonnenschein / Layout: Anja Enders, Deutschlandradio Service GmbH
Von Feo Frank · 01.01.2022
Einstieg in ein gefährliches Geschäft: Alice hat sich für einen Job beworben, in dem sie schlechte Nachrichten überbringen muss. Im Probegespräch soll sie dem ahnungslosen Lasse beibringen, dass er von nun an wieder Single ist.
Alice – eine moderne Tragikomödie über den Zusammenfall von Fake und Wirklichkeit. Übers Erwachsenwerden in einer Leistungsgesellschaft. Über Glücksversprechen, Selbstbetrug und tödliche Schonungslosigkeit. Und die Frage, wie wir reagieren, wenn die Realität unaushaltbar wird.

Das Kriminalhörspiel "Alice" wude von der Jury der Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats Oktober 2021 gekürt.

Begründung der Jury:
Warum ist die Leiche aus einem Pool irgendwo in Deutschland plötzlich lebendig in Ecuador und kommt im Andenhochland bei einem Bergunfall ums Leben? In Feo Franks Hörspieldebüt „Alice“ gibt es darauf eine recht einfache Antwort, und doch ist diese Krimiserie alles andere als simpel gestrickt. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die profunde Schutzschilder und Lügengeschichten fürs tägliche Leben benötigen, sodass sie einander und auch uns, die Hörerschaft, permanent auf unsicheres Terrain führen.

Selten hört man derart subtil korrumpierte Stimmen, wie sie sich vorgeblich nett und verständnisvoll an andere wenden. In Wahrheit ist ihnen aber nicht zu trauen. Es sind höchst unzuverlässige Dialoge, die uns in das Beziehungsgeflecht der hier agierenden Menschen hineinziehen - die potenzielle Lüge schwingt vom ersten Moment an als Echo mit.

Allen voran ist da die Ich-Erzählerin Alice, die bei einer Agentur für die Überbringung schlechter Nachrichten arbeitet. Als Hiobsbotschafterin muss sie die Emotionen anderer Menschen kontrolliert abfangen und steuern, weil die Lebenspartner mit ihnen Schluss gemacht haben, weil sie gekündigt werden oder weil sie bankrottgegangen sind. In kurzer Zeit findet sie sich in einem tragischen, erpresserischen Wissensgefüge wider, in dem auch ihre Freundin Caro, eine Radiojournalistin, und deren Mann Youssef sowie ihre Kollegin Naomi und die Chefin Florence eine wichtige Rolle spielen. Der Polizeikommissar komplettiert die mysteriös miteinander verbundenen Personen.

Die hervorragenden Schauspielstimmen erzeugen ohne jedes Forcieren nuancierte Gefühlslagen. Sie klingen alle irgendwie nett, aber bei genauerem und längerem Hinhören erkennt man ihre verschleierten Abgründe. Wer angespannt spricht, kann dennoch zugleich berechnend vorgehen. Und dann tun sich unheimliche Räume auf und nehmen Gespräche denkwürdige Wendungen. Besonderen Gewinn schlägt die Arbeit aus der auch ineinander geschnittenen Doppelrolle von Alice als Hauptfigur sowie als intime Erzählerin der Geschichte, die die Hörerschaft konspirativ-wehklagend für sich einzunehmen versucht. Der mysteriöse Drift von „Alice“ ist eine weitere Kraftquelle dieser Hörspielserie. Wir wissen nicht genau, in welcher Zeit wir uns befinden. In der Zukunft? Immerhin wird unauffällig, aber wiederholt darauf hingewiesen, dass man schon längst keinen Tabak mehr bekomme. Obendrein scheint die Hiobsagentur Bestandteil einer Outsourcing-Gesellschaft zu sein, die alles Leben über bezahlte Dienstleistungen managt. Für diese dystopische Gesellschaftskritik und ihre Mystery-Schlagseite gibt es Douze Points!

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