Ursendung

Eugénie Grandet (1/3)

Hörspiel: „Eugénie Grandet" (3-teilig) Produktion Deutschlandradio Kultur 2015 Abgebildet: Matthias Habich; Marguerite Gateau (Regie) (v.lks.)
Bei der Produktion: Matthias Habich © Deutschlandradio / Anke Beims
Von Honoré de Balzac · 24.02.2016
Im Leben des Winzers Grandet gibt es nur zwei Dinge, die ihm etwas bedeuten: Sein Reichtum und seine Tochter Eugénie. Als Alleinerbin ist diese bald Ziel von Heiratsavancen und Schmeicheleien.
Auch daraus weiß der Vater noch Gewinn für sich zu ziehen. Eugénie selbst wehrt sich kaum gegen das Korsett aus Geiz und Vorschriften. Am Abend ihres 23. Geburtstags kommt unerwarteter Besuch aus Paris: Charles, Grandets Neffe und Eugénies Cousin. Er wird für einige Zeit bei der Familie wohnen.
Ausschnitt

Bearbeitung: Helmut Peschina
Regie: Marguerite Gateau
Mit: Matthias Habich, Lisa Hrdina, Verena von Behr, Erika Skrotzki, Peter Matić, Max von Pufendorf, Maren Kroymann, Laurenz Laufenberg u.a.
Komposition: Christian Zanesi
Ton: Jean Szymczak
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2015

Länge: 59 min

Das Leben von Honoré de Balzac war produktiv und selbstzerstörend zugleich. 1799 in Tours geboren, ging er früh nach Paris. Bald fand er Eingang in die Welt des Adels und eiferte ihrem Luxus nach. Um seinen kostspieligen Lebensstil zu finanzieren, musste Balzac immer mehr Texte veröffentlichen. In eine Mönchskutte gehüllt schrieb er oft nächtelang, einzig am Leben gehalten durch den immensen Konsum von schwarzem Kaffee. Dennoch war Balzac die längste Zeit seines Lebens tief verschuldet. Erst 1850 erfüllte sich sein Traum, reich zu heiraten - doch noch im selben Jahr erlag er seinem erschöpften Herz.
Balzac schrieb "Eugénie Grandet" als Teil seiner "Menschlichen Komödie" - ein Romanzyklus, der die Tugenden und Abgründe von Mensch und Gesellschaft erforscht. Von 137 geplanten Erzählungen konnte Balzac 91 vollenden.

Die Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste entschied sich für "Eugénie Grandet" als Hörspiel des Monats März. Sie können auch den zweiten (02.03.) und dritten Teil (09.03.) nachhören.

Die Begründung der Jury
Die Wahl des Stoffes, die unbedingte Liebe und Treue, wird dramaturgisch zu einem spannenden Lehrstück über die moderne Gesellschaft, in der das Geld zum höchsten Wert erklärt wird und in der für zwischenmenschliche Gefühle kein Raum zu sein scheint. Der "verderbten Welt" versucht die anrührende Eugénie Grandet zu trotzen. Auch wenn Geiz und Habgier in Balzacs Roman, der 1834 als Teil seiner grandiosen "Comédie humanine" erschienen ist, schließlich doch siegen, so haben sie nicht das letzte Wort. Es ist die Liebe Eugénie Grandets, die trotz des Verrats des Geliebten, an ihrer konsequenten Haltung festzuhalten versucht.

Ein wichtiger Beitrag zur Dramaturgie liegt in der Musik des Pariser Komponisten Christian Zanesi. Mit klanglichen Icons schafft er es, die Bedeutung eines Erzählstranges in einen Moment zu kondensieren, eigene Gedankenräume herzustellen, während die Erzählung weiterläuft. Er macht den Abgrund, dem die Protagonisten entgegen streben, spürbar. Dabei verteilt er das klangliche Vokabular sparsam und äußerst subtil, verhalten, feinfühlig und präzise.

Es gelingt ihm den Text fast unbemerkt zu transformieren und die Spannung ohne jegliches Pathos bis zum Zerreißen zu steigern. Gelungen sind Hörspiele, die klassische Texte als Vorlagen haben, wenn sie nicht nur eine Spannung erzeugen, die den Hörer in den Bann zieht – und das auch noch bei drei Sendeterminen – sondern wenn es ihnen gelingt, den kanonisierten literarischen Werken durch die
dramaturgischen und technischen Mittel eine ganz eigene, überraschende und aktuelle Bedeutungsebene zu verleihen.

Der Produktion "Eugenie Grandet" nach Honoré Balzac gelingt dies unter der Regie von Marguerite Gateau und in der Bearbeitung von Helmut Peschina absolut
überzeugend.

Mehr zum Thema