Theater- und Performancefestival Ruhrtriennale 2019

Kunst, die Zukunft gestalten will

43:49 Minuten
Training for the Future auf der Ruhrtriennale 2019
"Training for the Future" ist ein utopisches Trainingslager bei der diesjährigen Ruhrtriennale © Ruhrtriennale / Daniel Sadrowski
Von Susanne Luerweg · 11.10.2019
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Tanzen gegen Polizeigriffe, Twittern gegen Trolle und Lieben für eine bessere Gesellschaft: Das dreitägige „Training for the Future“ hat Künstler und Theatermacher aus aller Welt in Bochum zusammenführt. Sie wollen eine Zukunft schaffen, die ohne Klima-, Finanz- und Datenkatastrophen auskommt.
An drei Tagen machen sich Künstlerinnen und Künstler, Theatermacherinnen und Theatermacher sowie alle, die Lust auf Aktivismus und Theater haben, fit für die Zukunft. Es wird zusammen getanzt und diskutiert. Über Patriarchat, Klimagerechtigkeit und gemeinschaftliche Führungssysteme. Getreu dem Motto "Machen statt reden" wollen der Künstler Jonas Staal und der Theatermacher Florian Malzacher zur aktiven Zukunftsgestaltung animieren.
Kann das was bewirken oder bleibt diese Aktion gerade im Kontext eines Theaterfestivals bloße Hülle und Lippenbekenntnis? Und wo verläuft die Grenze zwischen Kunst und politischem Aktivismus? "Mikrokosmos"-Reporterin Susanne Luerweg geht diesen Fragen auf den Grund und macht im Rahmen der Performance mit beim Training für die Zukunft.

Training for the Future auf der Ruhrtriennale 2019
Interessierte sollen kollektiv Strategien entwickeln, wie sich Zukunft aktiv gestalten lässt© Ruhrtriennale / Daniel Sadrowski
Liebe als ein allen zugängliches Gut
Freitagmorgen vor der Bochumer Jahrhunderthalle. Eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern aus dem asiatischen Raum wartet auf den Einlass zum "Training for the Future." Ein dreitägiges Programm im Rahmen der Ruhrtriennale, das auf Pre-enactment setzt: Auf das Vor-Spielen von etwas, was man sich erhofft. Gemeinsam mit Trainern und Trainerinnen aus aller Welt will man eine Zukunft gestalten, in der es sich zu leben lohnt, in der alle gemeinsam die Klimakatastrophe verhindern, Rassismus und Kolonialismus zu den Akten gelegt sind und Liebe nicht mehr nur wenigen vorbehalten ist, sondern ein allen zugängliches Gut.
Die Trainings finden in einer dreigeteilten Halle statt, die der holländische Künstler Jonas Staal entworfen hat. Die einzelnen Abschnitte sind durch Plastikvorhänge getrennt und alle nach dem gleichen Muster gestaltet: Ein Teppichboden mit Linien, ähnlich einer Tartanbahn, Stühle rundherum, Flatscreens an beiden Seiten und lose im Raum verteilte Holzwürfel.
Alternativer Weltgipfel
Jonas Staal hat mit dem Theatermacher Florian Malzacher das Programm kuratiert. Staal nennt sich selbst Propagandakünstler, hat eine Ausstellung über den rechten Ideologen Steve Bannon konzipiert und einen alternativen Weltgipfel ins Leben gerufen. Florian Malzacher leitete unter anderem das Impulse Festival und beschäftigt sich mit politischem Theater.
Und so ist die ganze Veranstaltung auch an der Schnittstelle von Kunst und politischem Aktivismus. In vielen Trainings sind die Grenzen fließend.
Jeder Tag beginnt mit einem halbstündigen Aufwärmprogramm, das zwei Trainerinnen der israelischen Gruppe Public Movement konzipiert haben. Man lernt, sich um andere zu kümmern, fühlt sich wahlweise in die Rolle von Polizisten und Demonstranten versetzt oder erspürt die Bedeutung eines Kunstwerks.
Training for the Future auf der Ruhrtriennale 2019 
„Machen statt reden“ - Künstler wie Jonas Staal und der Theatermacher Florian Malzacher wollen zur aktiven Zukunftsgestaltung animieren© Ruhrtriennale / Daniel Sadrowski
Zwischen "Decolonizing Society" und "Army of Love"
Im Anschluss gilt es, sich zu entscheiden. Sowohl vormittags als auch nachmittags werden je zwei parallel laufende Trainings angeboten.
Wählen kann man beispielsweise zwischen "Data with Machines", "Decolonizing Society" oder dem Angebot der "Army of Love". Dreieinhalb Stunden wird mehr oder weniger intensiv gearbeitet, in den Pausen ist für Essen und Trinken gesorgt.
Nicht alle Teilnehmer – vorwiegend aus der Kunst- und Medienszene, aber auch Schüler und Studentinnen - kommen die vollen drei Tage, manche schnuppern nur kurz rein.
Weg vom Untergangslamento
Das Motto lautet: Handeln statt Reden. Das Ziel ist eine selbstbestimmte Zukunft, weg vom allgemeinen Untergangslamento, das Hollywood gerne in Szene setzt.
Die Gegenwart holt das Training ein: Denn am ersten Tag findet auch in Bochum die große Klimademonstration statt. Und da das "Training for the Future" sich durchaus in der Tradition der "Fridays for Future" sieht, schließen sich die Akteure aus der Jahrhunderthalle kurz entschlossen dem Protest auf der Straße an.
Gegen Ende der drei Tage sind alle eher geistig als körperlich erschöpft, weil doch sehr viel geredet wurde. Die letzten zwei Trainings stehen dann ganz im Zeichen der Bewegung. Protesttänze mit Schwabinggrad Ballett, eine Hamburger Truppe, die zeigt, dass die Zukunft auch mit Humor gestaltet werden kann.
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