Szenen einer Familie aus Niederbayern

Mein Sohn, der Nazi

Anhänger der NPD im Jahr 2007
Anhänger der NPD im Jahr 2007 © picture-alliance/ dpa
Von Reinhard Schneider · 11.07.2020
Simon, ein 16-jähriger Rechtsradikaler, schwenkt bei Demonstrationen die Reichskriegsflagge. Seine Mutter steht im anderen Block und hält ein Plakat mit der Aufschrift „Nazis raus!“.
Deutschland zu Beginn des Jahrtausends. Der junge Rechtsradikale Simon und seine Familie führen einen Kleinkrieg. Sein Zimmer gleicht einer Festung innerhalb der Wohnung. Das einzige Fenster geht nicht nach draußen, sondern auf den Wintergarten. Die Mutter ist Antifaschistin, beide sind in heillose Streitereien verstrickt, dazwischen der Stiefvater, der den Konflikt zu entschärfen versucht. Die Kommunikation eskaliert nach eingefahrenen Mustern und lässt keinen Raum für Entwicklungen: Szenen zu zweit, zu dritt, Monologe – Situationen, zugespitzt wie eine Versuchsanordnung. Nur dem Außenstehenden, dem Autor gegenüber entsteht noch Raum für Reflexionen und Kommunikation, die untereinander nicht mehr möglich ist. Ein Radiofeature wie ein Kammerspiel.

Mein Sohn, der Nazi
Szenen einer Familie aus Niederbayern
Von Reinhard Schneider
Regie: der Autor
Ton: Kaspar Wollheim
Produktion: SFB-ORB/WDR 2000
Länge: 52'43

Reinhard Schneider, geboren 1952 in Gelsenkirchen, Werkzeugmacher und Theaterwissenschaftler, ist Autor und Regisseur von Dokumentarfilmen und Hörfunkfeatures. "Mein Sohn, der Nazi" wurde mit dem Prix Italia 2001 ausgezeichnet. Weitere Stücke: "Manchmal könnte ich schreien" (DKultur 2012), "Die Zeit, die noch bleibt" (SWR/WDR 2015), "Wettstreit in Stein und Beton" (RBB 2015). Zuletzt: "Neun Stockwerke neues Deutschland – Über ein Haus in Gladbeck" (WDR/SWR 2017) erhielt den Civis Medienpreis 2018.