"Sieben Versuche, die peruanische Wirklichkeit zu verstehen"

Von Karl-Ludolf Hübener |
Peru ist stolz auf seine Vergangenheit. Selbst die kreolische Oberschicht, die die indianischen Nachkömmlinge der Inkas verachtet, greift ohne zu zögern auf Geschichte und Kultur des Inka-Reichs zurück, wenn sie Peru zu erklären versucht. Allerdings kaum wie der Schriftsteller José Carlos Mariateguí, einer der originellsten marxistischen Denker Lateinamerikas.
Die Bedeutung Mariateguís liegt darin, dass er den Marxismus mit den ur-kommunistischen Traditionen des Andenlandes verbunden hat. Für Dogmatiker grenzte es allerdings an Ketzerei, als er feststellte, dass es in Peru in erster Linie um eine bäuerliche, indianische Gesellschaft gehe, das Proletariat dagegen eine eher rudimentäre Rolle spiele.

Kritiker warfen Mariateguí auch vor, eine allzu harmonische Gesellschaft im Inka-Imperium entdeckt zu haben: Es habe Zwangsverpflichtung und große soziale Unterschiede zwischen Oligarchie und Unterschicht gegeben. Mariateguí geriet nach seinem frühen Tod (1930) in Vergessenheit. Aber in einer Zeit, in der das globalisierte Einheitsdenken vorherrscht und neoliberale Rücksichtslosigkeit die soziale Kluft vertieft, wird in Lateinamerika wieder über politische Alternativen nachgedacht.

Produktion: Deutschlandfunk 2007