Mikrokosmos

Liste Kurz, Liste Pilz, Liste Kabarett

43:53 Minuten
ARCHIV - Ein Wahlplakat der "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei (ÖVP)" steht am 30.09.2017 im Wiener Arbeiterbezirk Meidling vor einer Apotheke mit dem Namen «Schutzengel». ÖVP-Chef Kurz wohnt im Bezirk Meidling.
Wahlplakat der Liste Kurz im September 2017 © dpa / picture alliance / Matthias Röder
Von Johannes Nichelmann · 05.01.2018
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Die österreichische Politik hat den Satirikern des Landes schon immer ausreichend Stoff für Schmäh geliefert. Die aktuelle Entwicklung sieht so aus: Politiker stellen ihre Humorfähigkeit in den sozialen Medien zur Schau, einigen Satirikern hingegen bleibt das Lachen im Halse stecken. Beobachtungen aus einem tragischen Grenzgebiet.
Noch vor ein paar Jahren posierte Sebastian Kurz mit seinem Geilomobil vor einem Nachtclub und wurde im Wahlkampf als neuer "Ohrban" verspottet. Doch der 31-Jährige verhalf der ÖVP bekanntlich zum Sieg, die Partei nennt sich jetzt "Liste Kurz" und in Karikaturen wird Kurz immer noch gerne im Gewand des Napoleon oder Fürst Metternich dargestellt. Einige Berufshumoristen im Land halten ihn allerdings für zu glatt, um Witze über ihn machen zu können. Zum Beispiel Fritz Jergitsch.
Fritz Jergitsch ist der Kopf hinter "Tagespresse.at"
Fritz Jergitsch ist der Kopf hinter "Tagespresse.at"© Jan Frankl
"Wir verarschen einfach alle"
Jergitsch ist 26 Jahre alt und hat seine Internetseite "Tagespresse.at" mit einem Scherz auf einen Schlag weit über die Grenzen Österreichs bekannt gemacht. In einem der ersten Artikel schrieb er, dass der meistgesuchte Hacker der USA, Edward Snowden, sich in Wien aufhalte, weil die Justiz dort eben sehr langsam sei. Der Gag ging viral. Am Ende musste das Österreichische Außenministerium der Öffentlichkeit mitteilen, dass es sich um Satire handelt. Jergitsch beschreibt die Rolle der Tagespresse so: "Wir verarschen einfach alle."
Roland Düringer als "Der Kanzler"
Roland Düringer als "Der Kanzler"© Lukas Beck
Die Partei des Kabarettisten
Witze auf Kosten von Politikern möchte Roland Düringer (55) keine mehr machen. Dem Schauspieler und Kabarettisten Düringer geht es vielmehr um Aufklärung. Deswegen ist er zur Nationalratswahl 2017 selbst mit einer Liste angetreten. Sein Ziel war es den 25 Prozent Nicht-Wählern eine Stimme geben.
Tagelang rätselten Medien, Politik und Bürger, ob einer der bekanntesten Unterhalter des Landes wirklich die Seiten wechselt. Den Schmutzkampagnen im Wahlkampf begegnete er mit einer Ladung Pferdemist, den er öffentlichkeitswirksam vor das Nationalratsgebäude kippte. Jetzt steht Roland Düringer wieder auf der Kleinkunstbühne. In seinem Kabarettprogramm "Der Kanzler" beschreibt er in der Rolle des Kanzlerberaters Karl K. seinen Aufstieg im System Österreich.
Politik als Daily Soap
Matthias Strolz ist der Chef der Oppositionspartei "Neos" im österreichischen Parlament. Die wirtschaftsliberale Partei fällt vor allem durch Marketing und markige Reden des Parteiführers auf. In der ORF-Sendung "Willkommen Österreich", die in Deutschland mit den ZDF-Sendungen "Heute-Show" oder dem "Neo Magazin Royale" zu vergleichen ist, kommen er und seine pinkfarbene Partei häufiger vor. Für Strolz ist Politik eine Daily Soap, die täglich wohlkalkuliert weitererzählt werden muss. Er bewundert die Inszenierung der Marke "Sebastian Kurz": "Großes Kino! Das ist handwerklich eine ganz große Show!"