Kunst im öffentlichen Raum

Zu Fuß durch Beirut

43:45 Minuten
Der Architekt Rani Al Rajji und die Redakteurin Anna Seibt auf dem Weg durch das Viertel Bourj Hammoud von Beirut
Der Architekt Rani Al Rajji und die Redakteurin Anna Seibt auf dem Weg durch Beirut © Anna Seibt
Von Anna Seibt · 19.06.2020
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Ziellosigkeit wird oft als Schwäche und Desorientierung interpretiert. Dabei übersehen wir das Potenzial, das ihr innewohnt: die Möglichkeit, Neues zu entdecken und Altbekanntes mit einem anderen Blickwinkel zu erkunden. Zum Beispiel beim Umherschweifen zu Fuß durch Beirut.
Spazierengehen als subversive Kunst. Das ist die Idee, die hinter dem Projekt "Psychogeografische Routen" steckt. Der Künstler Youssef Tabti hat dieses Projekt ins Leben gerufen. Zusammen mit dem libanesischen Architekten Rani Al Rajji hat er sieben TeilnehmerInnen auf ihre individuellen "psychogeographischen Routen" durch Beirut, die Hauptstadt des Libanon, geschickt.
Ziellos treiben lassen
Die Teilnehmenden sollten sich ohne Ziel und Plan durch die Straßen treiben lassen, Augen und Ohren offen halten und so die eigene Stadt und ihre Bewohner neu kennenlernen. Denn ohne Stadtplan in der Hand und zu erledigenden Aufgaben im Hinterkopf sind die Teilnehmenden mit ihrem individuellen Erleben konfrontiert. Gerüche, Geräusche, Menschen und Gebäude wirken unmittelbar auf die Fußgänger ein.
Die Tiere wurden vermutlich illegal getötet und präpariert. Jetzt werden sie unter der Autobahnbrücke zum Verkauf angeboten
Die Tiere wurden vermutlich illegal getötet und präpariert. Jetzt werden sie unter der Autobahnbrücke zum Verkauf angeboten© Deutschlandradio / Anna Seibt
Bourj Hammoud – ein lebendiges Viertel
Das Projekt wurde im Stadtteil Bourj Hammoud durchgeführt. Hier wurden 1915 armenische Flüchtlinge angesiedelt. Auf der Flucht vor dem Völkermord in der Türkei kamen sie in den Libanon und sind geblieben. Was als Hüttenstadt begann ist heute zu einem sehr lebendigen Einkaufsviertel geworden. Das Straßenbild ist vor allem von kleinen Handwerksbetrieben und günstigen Klamottenläden geprägt.
Viele Straßen in Beirut sind geprägt von kleinen Handwerksbetrieben.
Viele Straßen in Beirut sind geprägt von kleinen Handwerksbetrieben© Deutschlandradio / Anna Seibt
Hier geht Projektteilnehmer Hisham am liebsten einkaufen
Hier geht Projektteilnehmer Hisham am liebsten einkaufen© Deutschlandradio / Anna Seibt
Zu Fuß durch Beirut
Zusammen mit Architekt Rani al Rajji und dem Teilnehmer Hisham begibt sich auch Mikrokosmos-Reporterin Anna Seibt in den Irrgarten kleiner Straßen und Geschäfte. Der Lärm des dichten Verkehrs, die Abgase, Menschen, die die Gruppe skeptisch beobachten, im persönlichen Kontakt aber plötzlich aufblühen. All das verdichtet sich zum Klangbild eines Stadtteils.
Kunst im Theater
Nachdem die Teilnehmenden Bourj Hammoud individuell durchstreift haben, haben sie ihre Eindrücke in Texten, kurzen Videos und Soundcollagen verarbeitet. Der Künstler Youssef Tabti führte all diese Erzeugnisse schließlich in einer Installation zusammen.
Texte Soundcollagen und Videos der Teilnehmer wurden in einer Installation zusammengeführt
Texte Soundcollagen und Videos der Teilnehmer wurden in einer Installation zusammengeführt© Deutschlandradio / Anna Seibt
Der Künstler Youssef Tabti vor seiner Installation im Zoukak Theater
Der Künstler Youssef Tabti vor seiner Installation im Zoukak Theater © Deutschlandradio / Anna Seibt
Ausschnitt Installation psychogeografische Routen
Ausschnitt Installation psychogeografische Routen© Deutschlandradio / Anna Seibt
Zum Beginn des Performancefestivals "Sidewalks" wurde diese Installation dann im Zoukak Theater in Beirut ausgestellt.
Das Zoukak Theater liegt auf der Grenze zwischen dem Ausgehviertel Gemmayzeh und Bourj Hammoud
Das Zoukak Theater liegt auf der Grenze zwischen dem Ausgehviertel Gemmayzeh und Bourj Hammoud© Deutschlandradio / Anna Seibt
Kunst als soziale Intervention
Das Theater befindet sich genau auf der Grenze des Ausgehviertels Gemmayzeh zum Armenierviertel Bourj Hammoud. Damit hat es den perfekten Ort für seine Aufführungen gefunden, sagt Mitgründer Omar Abi Azar. Ihm ist es nicht nur wichtig, Menschen aller Bevölkerungsschichten in seinen Erzählungen zu Wort kommen zu lassen. Er will auch die Vielfalt der libanesischen Bevölkerung in seinem Publikum abgebildet sehen.
Abschlussessen im armenischen Restaurant
Abschlussessen im armenischen Restaurant© Deutschlandradio / Anna Seibt
(Whlg. vom 23.11.2018)
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