Kulturelles Feature

Wie der Stier bin ich zum Schmerz geboren

von Hans-Jürgen Schmitt |
Zwei gegensätzliche Bilder halten den Mythos um den "einzigen großen Volksdichter Spaniens" wach: der Ziegenhirt, der unter dem Feigenbaum Gedichte schreibt und der Märtyrer, der im Gefängnis seine Zeilen auf Papierfetzen notiert. Miguel Hernández verbringt die letzten sechs Jahre seines Lebens in Schützengräben und Gefängnissen. Francos Todesurteil war durch Vermittlung eines falangistischen Dichters in 30 Jahre Zuchthaus umgewandelt worden. Hernández stirbt 31-jährig 1942 an Schwindsucht im Gefängnis von Alicante.
Der Sohn eines armen Bauern kann nur drei Jahre die Schule besuchen. Doch wissbegierig nimmt er alle literarischen Strömungen der Zeit auf, geht 1931/32 nach Madrid, erfährt erste freundschaftliche Unterstützung durch García Lorca, Vicente Aleixandre und Pablo Neruda.

1936, mit dem Band "El rayo que no cesa", rückt Hernández in die erste Reihe der "Generation von 27" auf. Mit Ausbruch des Bürgerkriegs wird er Kommunist und Kulturkommissar der Republikaner. Ende 1938, beim Versuch über die Grenze nach Portugal zu fliehen, wird er verhaftet. In dem "Labyrinth des Hungers und der Gefängnisse" entstehen die ergreifendsten Gedichte. Sie erscheinen postum 1958 in Buenos Aires.