Kulturelles Feature

"Liebe Ursula und alle Deine Lieben!"

Von Doris Netenjakob · 24.03.2006
"Liebe Ursula und alle Deine Lieben!" So fangen die vielen Briefe an, die Bärbel an ihre Freundin geschrieben hat. Ursula und Bärbel waren als Kinder unzertrennlich. Sie gingen in eine Klasse. Bärbel konnte gut singen, Ursula Klavier spielen. Manchmal traten sie gemeinsam auf. Das war 1952 in der DDR.
Nach 30 Jahren besucht Ursula, sie lebt längst in Westdeutschland, ihre Freundin. Bärbel ist krank: Schizophrenie. Bärbel bekommt starke Medikamente, kann sogar 4 Stunden als Schreibkraft arbeiten. Doch in Abständen schickt man sie immer wieder in die Nervenklinik. In einem Brief gesteht sie Ursula, dass sie zwei Selbstmordversuche gemacht hat. Doch kein Wort über die Ursache ihrer Verzweiflungstat.

Etwas muss passiert sein. Ursula versucht, das herauszubekommen. Bärbel hingegen verdrängt das Thema, schreibt dafür sehr ausführlich über ihre Arbeit, über die Freunde, über Lebensmittelpreise, Zahnprobleme, Strumpfhosenmangel und Ferien im Erzgebirge. Warum Bärbel heute in einer geschlossenen Anstalt bei Husum lebt und was die Ursache ihres Unglücks war, hat Ursula herausgefunden.

Ob es die ganze Wahrheit ist, weiß allerdings nur Bärbel. Aber die kann kaum noch reden. Ursula will sie noch einmal besuchen.