Kulturelles Feature

Komm ins Offene, Freund

Von Astrid Nettling |
Tagtäglich machen wir ganz selbstverständlich und oft gedankenlos von den Dingen Gebrauch. Wollen wir sie uns einmal näher anschauen, gehen wir ins Museum. Dort bewundern wir ihre perfekte Form oder ihr kostbares Material. Dort können sie sich weit weg von unserem alltäglichen Leben ihres zweckfreien Daseins erfreuen. Denn bei uns im Westen stehen die Dinge in zwei Lagern: Sie sind Kunstgegenstände, die sich frei von allem Nutzen hinter Glas befinden, oder sie sind Gebrauchsgegenstände, die zumeist achtlos in den Dienst genommen werden.
Begeben wir uns in einen anderen Kulturraum, z.B. nach Japan, dann sieht das ganz anders aus. Es kann passieren, dass zwischen einer einfachen Teeschale und einem Teetrinker mit einem Mal eine andere Welt aufgeht. Keine Gebrauchs- und Konsumwelt, keine ästhetische Welt, sondern eine Welt, in der Himmel, Erde, Natur und Mensch zusammenkommen und Teeschale und Teetrinker offen und frei füreinander da sind. In einem derartigen Spielraum zwischen Ding und Mensch, in dem alles, was störend zwischen ihnen steht -wie Nützlichkeitserwägungen oder Funktionalität- überwunden ist, entfaltet sich, wie es ein japanischer Gelehrter ausgedrückt hat, "die Schönheit eines Friedens, in dem aller Zwist begraben ist".

Produktion: Deutschlandfunk 2006