Kulturelles Feature

Ich dachte mir die Welt wie Europa

Von Ursula Rütten · 08.04.2005
"Ich gelangte zu der überheblichen Ansicht, dass ich da draußen in der weiten Welt etwas entdecken würde, was anderen entgangen war: Dass ich als Weib anders sehen, anders empfinden, anders beobachten und folglich den Leuten, die daheim geblieben waren, meine Eindrücke anders vermitteln würde."
Als Alma Karlin 1950 in ihrer slowenischen Heimatstadt Celje stirbt, sind ihre Aufzeichnungen einer neun Jahre währenden Weltreise bis in entlegenste Lebensräume vergessen, auch ihre ethnografischen Sammlungen, die Romane, Erzählungen, Gedichte und nicht zuletzt ihr antifaschistisches Engagement im besetzten Jugoslawien.

Was treibt eine junge Frau dazu, einem männlichen Helden-und Abenteuerideal nachzueifern? Sie ist voller Wissbegierde, Erfahrungshunger und Tollkühnheit. Sie ist aber auch ein Narziss, naiv, sich selbst überschätzend. Und ein Freigeist will sie sein mit dem Bildungsgut einer postkolonialen Epoche. Sie schaut mit weiblich geschärftem Blick - nicht nur auf das patriarchale Ordnungs- und Gewaltgefüge, sondern auch auf das "männliche Menschtier" schlechthin.