Kulturelles Feature

Denn was fesselte den, der solche Tage erlebt hat?

Von Kurt Kreiler |
Ein Besuch bei Friedhelm Kemp, dem über 90-jährigen Doyen der Übersetzer, einem, wie er sich selbst genannt hat, "Kränzewinder, Vorhangraffer, Kräuterzerstoßer und Bratenwender" im freudigen Joch der Dichtung. Er hat "nachsprechend", so beschreibt er den Prozess des Verstehens des schwierigen Originals, der Dichtung und den Dichtern gedient und in 60 Jahren eine ganze Bibliothek ediert, kommentiert und übersetzt und somit dem interessierten Leser einen immensen Schatz anvertraut.
Sein Name ist zum Synonym für die Kunst der poetischen Übersetzung und die literarische Mittlerrolle im europäischen Raum geworden. Er übertrug nicht nur das dichterische Gesamtwerk von Charles Baudelaire und Saint-John Perse, auch neben vielen anderen Yves Bonnefoy und Philippe Jaccottet. Der "homme de lettres" edierte Peter Gan, Clemens Brentano, Theodor Däubler, Else Lasker-Schüler und Gertrud Kolmar.

Er ist Herausgeber zum Beispiel der Anthologien "Französische Dichtung" und "Englische und Amerikanische Dichtung" und nicht zuletzt Verfasser einer zweibändigen Geschichte des europäischen Sonetts und der "Spaziergänge eines Lesers und Übersetzers", die unter dem Titel "Das Ohr, das spricht" erschienen sind.

Produktion: Deutschlandfunk 2006