Radio Inklusive - Barrierefrei am Mikrofon
43:42 Minuten
Medienberichte über Menschen mit Behinderung werden oft von Menschen ohne Behinderung verfasst und laufen so Gefahr, ein stereotypes Bild zu zeichnen. Das will Radio Inklusive ändern. Menschen mit und ohne Behinderung setzen dort Themen, die sie beschäftigen und alle was angehen.
Ein Radioprogramm, bei dem alle mitmachen können. Das ist die Idee hinter "Radio Inklusive". Die Redaktion ist Teil von Radio Blau, einem freien Bürgerradio in Leipzig. Seit 2017 produzieren hier Menschen mit und ohne Behinderung etwa alle zwei Monate gemeinsam eine Radiosendung. Die Themen reichen von Sexualität über die Arbeitswelt bis hin zum Wohnungsmarkt und Märchen.
Die Radiomachenden nehmen Interviews auf, besuchen Veranstaltungen und sprechen Moderationen. Auch im Rahmen des Louis Braille Festivals in Leipzig soll eine Sendung entstehen, die sich mit dem Thema Blindheit beschäftigt.
Eine Behinderung kann jeden treffen
Eine der Teilnehmerinnen ist Simone. Mit dem kleinen blauen Mikrofon in der Hand steht sie in einer großen Halle auf dem Louis Braille Festival. Für die Sendung macht sie eine Umfrage. Sie will erfahren, welche Angebote es hier für Menschen mit einer Sehbehinderung gibt.
Simone hat eine geistige Behinderung und gehört seit vergangenem Jahr zum Team von "Radio Inklusive". Wenn sie auf Veranstaltungen Umfragen macht, dann gehen einige Menschen manchmal einfach an ihr vorbei. Sie versteht nicht, wieso manche Leute ein Problem mit Menschen mit einer Behinderung haben. Es könne doch jeden treffen.
"Du gehst über die Straße, auf einmal kommt ein Auto, überrollt dich und du bist im Rollstuhl", sagt Simone.
Auf dem Louis Braille Festival geben ihr die meisten Leute aber bereitwillig Auskunft und lassen sich interviewen. So auch der Mann, der in einem Raum gerade Pack Poi bastelt. Das sind Tennisbälle, durch die ein Flatterband hindurchgezogen wird. Diese kann man dann später durch die Luft schwingen.
"Der perfekte Blindensport", sagt der Mann in das Mikrofon in Simones Hand.
David schneidet auch privat noch weiter
Nachdem das Team von "Radio Inklusive" alle Aufnahmen gemacht hat, wartet die Arbeit im Studio auf die Gruppe. Die gesammelten Töne müssen geschnitten und die Moderationen eingesprochen werden. Zum Team gehört auch David, der im Rollstuhl sitzt. Er ist seit 2017 Teil von "Radio Inklusive" und großer Radio-Fan.
Als seine Mutter damals von dem Projekt erfuhr, meldete sie ihn direkt an. Seine Behinderung stellt beim "Radio Inklusive" kein Problem dar. Am Mikrofon fühlt sich David wohl. Die Sendung zum Louis Braille Festival hat die Gruppe mittlerweile fast zu Ende produziert. Nur ein paar anmoderierende Sätze fehlen noch. Beim Einsprechen überlegt David, wie er den Text am besten formuliert.
Um noch besser zu werden, schneidet er mittlerweile auch privat Tonspuren. Doch auch wenn das Radio seine große Leidenschaft ist, ist David dennoch bewusst, dass Menschen mit einer Behinderung nur schwierig Jobs in journalistischen Redaktionen finden. Sein großer Wunsch wäre es, für einen Radiosender zu arbeiten. Doch seine Praktikumsbewerbungen waren bisher erfolglos.
Es braucht mehr Vorbilder
Wie schwierig die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist, das weiß Jonas Karpa. Er ist Redakteur bei Leidmedien.de, einer Internetseite, auf der Medienschaffende und Journalistinnen sich informieren können, wie sie am besten über das Thema Inklusion und Behinderung berichten können. Karpa, der selbst eine Sehbehinderung hat, meint, in vielen Redaktionen fehle der Wille, Menschen mit einer Behinderung einzustellen. Häufig sei die Unsicherheit über den richtigen Umgang miteinander sehr groß.
Die fehlende Diversität innerhalb der Medien führe aber zu einer verzerrten Darstellung: Menschen mit einer Behinderung würden in Berichten häufig entweder als Opfer dargestellt oder aber als Helden, die ihr Leben "trotz Behinderung" meistern. Damit sich etwas ändert, ist sich Karpa sicher, braucht es zunächst einmal mehr Vorbilder. "Wenn Menschen mit Behinderung im Fernsehen, im Radio, wo auch immer, präsenter wären, dann würde auch die nachfolgende Generation sagen können: Okay, das kann ich auch."
(Wiederholung vom 13.09.2019)