Hörspiel über die Arbeit von Soap-AutorInnen

Die Schicksalsmaschine

Eine Frau liegt auf einer Couch und ißt Popcorn.
© Unsplash / JESHOOTS.COM
Von Claudia Kaiser · 21.02.2021
Ein Team von TexterInnen sitzt im Büro-Container und plottet das Handlungsgerüst für eine Telenovela. Beim Erfinden immer neuer Drehs wird gern auf das Nächstliegende zurückgegriffen: das eigene Leben.
Kreativarbeit am Fließband: Ein Team von Autorinnen und Autoren sitzt im Büro-Container und plottet unter Anleitung des Headautors das Handlungsgerüst für einen Wochenblock der Telenovela "Amelie – eine Frau kämpft um die Liebe". Es geht um Herz und Schmerz, himmelhohe Glücksmomente, Drama und Schicksalsschläge im Setting des Weinguts Lindenfels. Die Plot-Sitzung selbst hat wenig Romantisches. Sie wirkt eher wie die neoliberale Travestie eines existentialistischen Dramas: Hier findet kein freies, phantasievolles Erzählen statt. Die Geschichten werden mechanisch und kühl kalkuliert, unter enormem Zeitdruck auf eine rein betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung hin ausgerichtet – während die beteiligten AutorInnen ihre persönlichsten Geschichten und Gefühle kannibalisieren. Denn: Im Kreativteam herrscht enormer Konkurrenz- und Zeitdruck. Im Handumdrehen wird aus dem eigenen Fleisch "Fiktionswurst" – aus der Plot- eine Therapiesitzung.
"Produktionstechnische Zwänge und ein Eskapismus-Diktat dominieren das Erzählen. Und so kommt es, dass Geschichten und Gesellschaftsbilder entstehen, die eher an die Fünziger Jahre erinnern. Dass Begriffe wie ‚Familie‘ oder ‚Mutterschaft‘ enorm fetischisiert werden – die Soap-Handlung aber gleichzeitig ohne Geburten und Kinder auskommen muss – denn das wäre produktionstechnisch schlichtweg zu aufwändig. Dass emanzipierte Autorinnen Geschichten vorschlagen, in denen Frauen nur ein Ziel haben: einen reichen Mann zu finden." (Claudia Kaiser)

Die Schicksalsmaschine
Von Claudia Kaiser
Regie: Alexandra Distler
Mit: Michele Cuciuffo, Florian Karlheim, Oliver Stokowski, Franziska Schlattner, Hanna Scheibe, Xenia Tiling, Christian Erdt, Nina Steils, Mara Widmann, Helmfried von Lüttichau, Stefan Merki
Komposition: Marcus Huber
Ton und Technik: Gerhard Wicho, Susanne Herzig
Produktion: BR 2019
Länge: 71'18

Claudia Kaiser, geb. 1965 in München, Studium der Amerikanistik mit Schwerpunkt Film Studies. Arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Musikerin (Die Moulinettes, The Sound of Money). Viele Jahre lang als Drehbuchautorin im Bereich Daily Soap und Telenovela tätig. "Die Schicksalsmaschine" ist ihr Hörspiel-Debüt.