Hörspiel nach Jean Anouilh

Antigone

Antigone beerdigt den Körper ihres Bruders Polynices
Antigone beerdigt den Körper ihres Bruders Polynices © picture alliance / Heritage Art/Heritage Images
Nach Jean Anouilh · 15.11.2020
„Ich bin nicht da, um zu verstehen. Ich bin da, um dir ein Nein entgegenzusetzen und zu sterben“, lautet das radikale Credo der Antigone bei Anouilh. Seine Bearbeitung des antiken Dramenstoffs um Macht und Moral als Hörspiel aus dem Jahr 1947.
Antigone weigert sich, ihren Bruder Polyneikes unbeerdigt auf dem Feld verwesen zu lassen – so lautet aber die Strafe für Aufrührer, die ihr Onkel Kreon als König von Theben ausgeführt wissen will. Nachts schleicht Antigone zu Polyneikes und bedeckt ihn mit Erde. Doch wird sie von Kreons Wächtern gefasst und zu ihm gebracht. Der könnte und würde sie auch retten, wenn sie sich ihm unterwürfe. Doch Antigone weigert sich, den Sinn seines Befehls anzuerkennen, sie zieht den demonstrativen Tod vor. "Wie muss sich innerhalb eines Staatsgefüges ein Individuum mit einem absoluten und ideellen Anspruch auf Freiheit gegenüber der staatlichen Autorität und dem Gesetz verhalten?" So wurde die Kernfrage von Sophokles Tragödie in einer Vorrede formuliert, als die Hörspielfassung 1947 erstmals ausgestrahlt wurde. Die Fassung besticht besonders durch den kommentierenden Erzähler.
Jean Anouilhs Adaption des antiken Stoffs, 1944 während der deutschen Besatzungszeit in Paris mit gewaltiger Resonanz uraufgeführt, war zahlreichen Missdeutungen ausgesetzt. Den einen, die nur Antigones verneinende Haltung sahen, erschien es als ein Stück der Resistance, während die anderen, die nur Kreons Zwangslage sahen, darin das Stück eines Kollaborateurs vermuteten.

Antigone
Nach Jean Anouilh
Übersetzung: Franz Geiger
Bearbeitung und Regie: Karl Peter Biltz
Mit: Adelheid Seeck, Lieselotte Bellert, Anette Roland, Rudolf Reiff, Horst Uhse, Ernst Sladeck, Hans Goguel, Arno Ebert, Peter Jung, Paul Hellmich
Produktion: SWF 1947
Länge: 87'40

Jean Anouilh (1910–1987) war einer der erfolgreichsten französischen Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Seine vielfach verfilmten Werke sind von der existentialistischen Philosophie geprägt. Sie stellen die Frage nach der moralischen Integrität des Einzelnen in einer Gesellschaft ohne verbindliche Werte. Das wohl berühmteste Beispiel dafür ist die Tragödie "Antigone" (1942). Weitere Werke u.a. "Einladung ins Schloß oder Die Kunst, das Spiel zu spielen" (1947), "Jeanne oder Die Lerche" (1953), "Das Leben ist unerhört" (1987).