Hörspiel

Gertrude Stein hat die Luft gemalt

Von Friederike Mayröcker |
In ihrem Hörspiel „Gertrude Stein hat die Luft gemalt“ erschafft Friederike Mayröcker einen vielschichtigen akustischen Raum, in dem sie eine intime Zwiesprache mit ihrer literarischen Wahlverwandten Gertrude Stein führt. Das Werk entfaltet sich als ein feinsinniges Gespinst aus Reflexionen, in dem die Grenzen zwischen Biografie und Fiktion, zwischen Verehrung und künstlerischer Aneignung kunstvoll verschwimmen.
Mayröcker lässt uns teilhaben an ihrer intensiven Lektüre von Steins Texten, an ihren Gedanken über Steins häusliches Leben mit Alice B. Toklas und dem kleinen Hund Basket. Vor unserem inneren Auge entsteht das legendäre Pariser Salon-Leben, in dem Picasso und andere Künstler ein- und ausgingen – ein Ort des lebendigen intellektuellen Austauschs, nach dem sich Mayröcker womöglich selbst sehnt.
Besonders eindrucksvoll ist, wie Mayröcker das Schreiben selbst zum Gegenstand ihrer Betrachtung macht. Sie offenbart die Verletzlichkeit der schreibenden Existenz, den Spannungszustand zwischen verzaubertem Schaffensprozess und ernüchternder Entzauberung. Das quälende Paradoxon, etwas sagen zu wollen, wenn scheinbar nichts zu sagen ist, wird zur existenziellen Frage – nicht nur für Mayröcker, sondern für jeden schöpferischen Menschen.

Gertrude Stein hat die Luft gemalt
Regie: Klaus Schöning
Komposition: Mauricio Kagel
Mitwirkende: Friederike Mayröcker
Counter-Tenor: Kai Wessel
Deutschlandfunk/ Österreichischer Rundfunk 2005
Länge: 48'43

Friederike Mayröcker, geboren 1924 in Wien, Lyrikerin, schrieb über 30 Hörspiele, z.T. zusammen mit ihrem Lebenspartner Ernst Jandl.