zum Hörspiel des Jahres 2022 "Pisten"

Die Preisverleihung - Gespräche und Eindrücke

17:27 Minuten
Das Produktionsteam von "Pisten"  während der Preisverleihung zum "Hörspiel des Jahres 2022" im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks.
Das Produktionsteam von "Pisten" während der Preisverleihung zum "Hörspiel des Jahres 2022" im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks. © Deutschlandradio/Anna Panknin
Von Anna Panknin · 11.03.2023
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Am 3. März wurde im Kammermusiksaal des Kölner Funkhauses des Deutschlandfunk die Auszeichung zum Hörspiel des Jahres 2022 für "Pisten" von Penda Diouf vergeben. Anna Panknin hat Eindrücke und Ausschnitte aus der Preisverleihung zusammengestellt.
Liebe Hörerinnen und Hörer, das war es also, das Hörspiel des Jahres 2022, „Pisten“ von Penda Diouf. Und die feierliche Verleihung dieses heißbegehrten Preises, den die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste jährlich vergibt, fand am 3. März im Kammermusiksaal des Kölner Funkhauses des Deutschlandfunk statt – als Auftakt zum Kölner Kongress, der sich auch dieses Jahr dem Erzählen widmete.

Und wir haben uns sehr gefreut, dass ein Großteil des Produktionsteams und der Künstlerinnen, deren Namen Sie gerade im Abspann des Stücks gehört haben, an diesem Abend in Köln dabei sein konnte, um - nach der Laudatio der Jury und der Überreichung von Urkunden und Blumen -  auf der Bühne von ihrer Arbeit zu erzählen. Woran wir Sie, dank der Aufzeichnung dieser Auszeichnung gerne ein wenig teilhaben lassen wollen.

Ein ausgefallener Zug in Frankreich verhinderte leider die Anwesenheit von Autorin Penda Diouf, aber ihr „Hörspiel des Jahres“ war trotzdem würdig vertreten - mit Regisseurin Christine Nagel, Sprecherin Abak-Safaei-Rad, den Sängerinnen MFA Kera & Naima Schmitt und Redakteur und Dramaturg Michael Becker vom Norddeutschen Rundfunk, der das ursprünglich als Theaterstück im Rahmen eines literarischen Projekts entstandene Werk vor zwei Jahren im Institut Français in Stuttgart sah.
Michael Becker: "Also, ich war sofort sicher, dass ich es machen will. Ich habe den Prolog gelesen und hab sofort wieder Kontakt zum Verlag aufgenommen und dann kam der Newsletter vom Henschelverlag, dass "Pisten" bei "Theater der Welt" in Düsseldorf sein wird. Und dann ging es los und dann war ich sehr, sehr sicher, dass ich das machen will und habe dann auch intuitiv Christine angesprochen, weil wir eine sehr intensive Arbeit zuvor hatten. Und ich mir ganz sicher war, dass das eben nicht im Studio stattfinden kann, sondern einen hohen Intimitätsgrad braucht und eine Person, die, auch wenn sie nicht schwarz ist, das mit ganz viel Sensibilität anfassen wird und mit der ich auf Augenhöhe in die Prozesse mit eingebunden werde. Und das ist wunderbar aufgegangen. Es gibt ja Arbeiten, so als Redakteur, die unheimlich viel Arbeit und Denkschmalz erfordern und auch Nerven kosten. Und hier kann ich sagen, es war eine der leichtesten und erfolgreichsten und schönsten Arbeiten, die ich je hatte, mit einer Regie. Es war einfach vom ersten Moment an gut."

Für Christine Nagel, eine der profiliertesten Regisseurinnen und Autorinnen der deutschen Hörspiellandschaft, ist es bereits die zweite Arbeit, die die Auszeichnung zum Hörspiel des Jahres erhält. Für sie stellte sich nach dem ersten Bekanntmachen mit Penda Dioufs autobiographischem Theatermonolog natürlich die Frage nach der Besetzung dieses Stücks, das unter anderem die traumatischen Auswirkungen von Rassismus und Kolonialismus zum Thema hat.
Christine Nagel: "Wenn man einen Text angeboten bekommt, fängt man erst mal an,  nach dem Lesen, ist da natürlich erst mal sprachlich was, was einen attrahiert. Aber kann ich mich dazu überhaupt verhalten und darf ich mich dazu verhalten in dem Fall? Und dann habe ich mit Michael ein sehr, sehr wichtiges erstes Gespräch gehabt. Und für mich dann das noch mal geprüft und natürlich gespürt, da ist eine große Leerstelle und ich brauche jemanden, der mir da hilft oder im Dialog, dass wir da gemeinsam durchgehen können. Und dann war ich wirklich sehr scheu, jemand mit einer schwarzen Hautfarbe anzusprechen. Ich habe mich kaum getraut, sie anzurufen und war mir aber total sicher, dass sie die Richtige ist. Ja, und dann war das schön aufeinander zu treffen und es war wirklich eine sehr intensive Reise da, diese drei Tage miteinander."
Sie – das ist die Sprecherin und Schauspielerin Abak Safaei-Rad und sie war auf jeden Fall die Richtige. Für „Pisten“ wurde die geborene Kölnerin, die auf eine lange Theaterkarriere zurückblicken kann, aber auch viel vor der Kamera und dem Mikrofon agiert, schon im letzten Jahr mit dem Deutschen Hörspielpreis der ARD in der Kategorie „Beste schauspielerische Leistung“ ausgezeichnet.
Abak Safaei-Rad: "Christine und ich, wir haben zum ersten Mal miteinander gearbeitet. Sie hat mich angesprochen wegen dieses Textes und ich habe mit der Autorin, die habe ich kennengelernt bei einer szenischen Lesung am Deutschen Theater in dem Jahr davor. Und deswegen war ich sofort interessiert. Und dann haben wir uns eben in diesem Studio dann zum ersten Mal auch live getroffen. Und dann war das vor allem eine sehr, sehr schöne Zusammenarbeit, die wir in dieser sehr intimen Atmosphäre dort auch hatten. Und wir haben am Anfang viel gesprochen, wie es uns geht eben mit dem Text und mit der Besetzung und der Auswahl und allem. Und - es ist schon etwas anderes, wenn eine schwarze Person diesen Text spricht. Ich muss diese Erfahrungen nicht gemacht haben. Das muss für mich nicht autobiographisch sein. Aber natürlich ist ein schwarzer Körper in unserer Welt ein schwarzer Körper. Auch bin Teil natürlich von einem Erfahrungsraum aller schwarzen Körper. Und ich habe es erst während der Aufnahmen auch wirklich sehr stark gespürt, dass es tatsächlich wichtig ist, dass eine schwarze Person auch diesen Text liest und habe mich danach noch einmal bei Christine bedankt für die doch wirklich richtige - da richtig drauf zu schauen. Weil, ich habe gemerkt, es macht mit mir einfach etwas anderes auch."
Christine Nagel: "Also, im Grunde waren diese Anfangsgespräche das Allerwichtigste. Und auch mit den beiden Herren, die eben heute leider nicht dabei sind, weil die waren ja meine Begleiter über viele Wochen, wenn nicht gerade Monate im Fall von Tito Knapp, also der Tonmeister Tito Knapp und vor allem der Komponist Niko Meinhold. Wir haben uns alle diesen Fragen gestellt und in der Überarbeitung und in der Mischung und immer wieder hinterfragt, was wir da eigentlich tun."
Abak Safaei-Rad: "Sonst hat man ja auch oft, dass das Regieteam dann im Raum weiter weg ist und man sieht die gar nicht und man ist dann immer so zwischendurch kurz im Austausch und dann geht die Regie wieder raus. Und da waren wir mit Tito, dem Tontechniker und Christine und ich, wir waren eben ganz nah beieinander und dieser theatrale Text ist eben durch mich hindurchgegangen und zwischen uns dreien entstanden. Also es war auch für mich wirklich eine andere Arbeit."
Nun könnte man „Pisten“ - als monologische Erinnerungsreise in die eigene und die historische Vergangenheit-  im Prinzip als eine One Woman Show begreifen und das Stück lebt - in der sensiblen Übersetzung von Annette Bühler-Dietrich - natürlich vor allem von dem facettenreichen Spiel der deutschen Sprecherin. Aber Regisseurin Christine Nagel war es enorm wichtig, den biographischen Kontext auch im sprachlichen aufrechtzuhalten und so fügte sie zusätzliche akustische Ebenen hinzu.
Christine Nagel: "Das war mir total wichtig, dass die Autorin da auch wieder reinkommt mit dem französischen Material. Ich hatte ja von Michael alle Freiheiten zugesagt bekommen, mit dem Stoff so zu arbeiten, wie ich das möchte. Ich habe da also wahnsinnig viel umgestellt und habe dann das Französische wieder mit hineingebracht. Und da ist auch die Sprecherin des französischen Textes."
Und das ist die kreolische Gospel-, Blues- und Jazz Sängerin MFA Kera. MFA Kera, ebenfalls Komponistin und Autorin ist unter anderem Gründerin des "Black Heritage Orchestra" und arbeitete im Laufe ihrer langen internationalen Karriere mit Musiklegenden wie John Lee Hooker, Louis Armstrong und Duke Ellington zusammen. Mit Niko Meinhold, der die Musik für „Pisten“ komponierte, verbindet sie eine Kindheit in verschiedenen afrikanischen Ländern und der Name Penda Diouf war ihr natürlich schon ein Begriff, als der Anruf des Komponisten kam.
MFA Kera: "Und ich habe gefragt, welche Art Arbeit ist das? Und welches Thema? Und ich habe auch gelesen der Name Penda Diouf. Das hat natürlich mich angesprochen, weil ich bin aus Madagaskar, aber, großgeworden im Senegal und Diouf ist Senegal. Und dann war es eine Frau und dann Niko hat mich gefragt. Er wollte eine afrikanische Stimme. Diese Art Stimme, die, wie sagt man to carry und illustrieren diese tiefe Geschichte - wirklich tief - von der deutschen Kolonial-Time."
Christine Nagel: "Also, ich habe mir vor allem Niko Meinhold ausgesucht, weil ich seine Lebensgeschichte wiederum weiß. Er ist Diplomatenkind und hat in sehr vielen afrikanischen Ländern mit seinen Eltern gelebt und kennt... Und der Vater war auch noch Sammler afrikanischer Musikinstrumente, die er zur Verfügung hat in seinem eigenen Studio und die er auch teilweise wirklich gelernt hat. Und dann ist seine Frau auch aus dem Senegal oder Elfenbeinküste ja, also er hat viel in afrikanischen Ländern gelebt. Von daher habe ich gehofft, dass er eine Perspektive da auch durch die Musik mit einbringt, die dem Stoff angemessen ist. Und er kennt die Szene in Berlin so ein bisschen auch von Menschen, die für diese Musik stehen."
MFA KERA: "Ja, ja, natürlich und das hat wunderbar funktioniert. Klänge, es ist nicht nur Singen, es ist mehr als Singen. Es ist das in andere Level bringen Musik ist Visionen auch. Es ist Klänge. Es ist Sprache. Die Universalsprache. So es ist, was ich liebe, zu machen. Und es war.... Es hat gut geklappt. Und aber diese Geschichte, und das ich insistiere, war so wichtig. Und ich war sehr, sehr froh, meine Stimme zu geben."
Und wer noch seine Stimme gab und per Überraschungs-Videogruß an der Preisverleihung zum Hörspiel des Jahres teilnahm, das hören Sie jetzt:
Videogruß Kinder : "Wir sind die Klasse 2d aus der Märkischen Grundschule. Wir haben an diesem Projekt teilgenommen. Danke, dass wir mitmachen durften. Niko war sehr lieb mit uns. Es hat Spaß gemacht. Herzlichen Glückwunsch an alle, die teilgenommen haben. Wir können leider nicht nach Köln gehen, aber wir schicken euch ganz viel Liebe."
Naima Schmitt: "Also, das sind meine ganz lieben Schüler, die ich ganz viel liebe. Und wir haben wirklich eine große Ehre gehabt, an diesem Projekt teilzunehmen."
Naima Schmitt ist Lehrerin an der Märkischen Grundschule Berlin-Reinickendorf und zusammen mit ihrer 2. Klasse im Stück zu hören, singend und sprechend. Für sie war die Zusammenarbeit mit Komponist Niko Meinhold und überhaupt das Mitwirkirken an dem Hörspiel-Projekt eine glückliche Fügung.
Naima Schmitt: "Also, Niko hat Kinderstimmen gesucht und er kannte eine Kollegin. Und wir sind eine besondere Schule, also deutsch-französische Schule, wo es gibt viel Vielfalt in unserer Klasse und in unsere ganze Schule. Also viele Kinder, die auch Eltern haben, die aus Afrika sind.  Also, es war sinnvoll, an diesem Projekt teilzunehmen und es hat super Spaß gemacht mit Niko zu arbeiten. Er ist in unsere Schule gekommen und hat wirklich ein schöner Kontakt mit den Kindern gehabt und sie wollten alle zeigen, was sie können, singen und so. Und das hat echt super geklappt. Und die Geschichte von Penda Diouf hat mich natürlich auch sehr berührt. Weil auch als schwarze Frau habe ich auch solche Erfahrungen erlebt. Und ja, es war schön, dass dieser Zufall macht, dass ich durfte an diesem Projekt teilnehmen. Danke!"
Die Kinder aus Naima Schmitts Grundschulklasse waren nicht die einzigen, die via Videoeinspieler an der Preisverleihung teilnahmen. Aus Australien meldete sich Ania Mauruschat zu Wort, die zusammen mit Vito Pinto und Neo Hülcker die Jury für das Hörspiel des Monats und des Jahres 2022 bildete.
Ausschnitt Klangcollage
Unterstützt durch Klangcollagen und Tonausschnitte berichteten die drei von ihrer Arbeit und den gemeinsamen Urteilsfindungen, die nicht nur Redakteur Michael Becker immer wieder mit Spannung erwartete.
Michael Becker: "Ich muss unbedingt noch dieser Jury dieses Jahr danken. Also, das waren echt krasse Begründungen allmonatlich, die in unsere Postfächer geflattert sind. Also, es sind immer natürlich sehr schöne Begründungen, aber hier haben sie mich intellektuell auch immer herausgefordert. Das waren kleine Hörspiel-Essays und das hat großen Spaß gemacht, denen zu folgen."
Liebe Hörerinnen und Hörer, mit diesem Rückblick und auch einem Ausblick auf die Arbeit der neuen Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste wollen wir enden, auch in diesem Jahr werden wieder zwölf Hörspiele des Monats ausgewählt, aus deren Mitte dann das Hörspiel des Jahres gekürt wird. Der Deutschlandfunk sendet sie allesamt und wir beginnen mit dem Hörspiel des Monats Januar, das Sie hier am 1. April hören können - und das ist „Wes Alltag Antwort gäb“, von Gesche Piening, eine Produktion des Bayerischen Rundfunk mit Deutschlandfunk Kultur.
Und auch darauf sei noch hingewiesen: Jeweils im Anschluss an die zwölf prämierten Stücke gibt es die Sendung „Hauptsache Hörspiel“, in der Hanna Steger und Max von Malotki sich intensiv mit dem jeweiligen Hörspiel des Monats befassen - mit Hintergrundinfos, Entstehungsgeschichten, Interviews und Tipps.
Ich verabschiede mich an dieser Stelle, wenn Sie mögen, bleiben Sie doch noch ein wenig in der klanglichen Atmosphäre des Kammermusiksaals des Deutschlandfunk und hören Sie Musik von Akiko Ahrendt und Friedemann Dupelius, die eigens für die Preisverleihung zum Hörspiel des Jahres 2022 komponiert wurde.
Musik  

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