Groteske über Kultur-Nationalismus

Den Spion schnappen

Klassenraum 1935; Schulklasse; Lehrerin
. © unsplash/Austrian National Library
Von Hanoch Levin · 15.09.2020
Die Klasse der Lehrerin Bertholda versammelt sich zum Hausbesuch beim von allen verehrten Nationaldichter. Zusehen, wie Gedichte voller Nationalgefühl entstehen – was könnte es Erhabeneres geben! Oder?
Im Lande Zizimama hat die Lehrerin Bertholda ihre Schulklasse fest im Griff. Es herrschen Disziplin und Ordnung - und vor allem Begeisterung für die nationale Kultur. Anlässlich des jährlichen Frühlingsfests hat die Lehrerin eine einzigartige Überraschung für die Kinder: Sie werden gemeinsam den berühmten Nationaldichter besuchen und ihm beim Verfassen von Nationalgedichten zusehen - und „ein Nationalgedicht ist, wie wir alle wissen, ein Gedicht, das ein Nationalgefühl ausdrückt“! Doch als die riesige Schulklasse beim Dichter eintrifft, ist dieser wenig begeistert. Er muss in wenigen Stunden ein neues Gedicht abgeben und es läuft alles andere als rund. Die unzähligen gespannt-erwartungsvoll auf ihm ruhenden Kinderaugen machen das Unterfangen nicht einfacher. „Den Spion schnappen“ ist das erste Hörspiel des israelischen Dramatikers Hanoch Levin. Das in seiner hebräischen Originalfassung 1967 urgesendete Stück ist auch heute beunruhigend aktuell: Kultur wird in den Dienst nationalistischer Ideologie gestellt.

Den Spion schnappen
Von Hanoch Levin
Aus dem Hebräischen von Doron Hamburger und Frank Weigand
Bearbeitung: Noam Brusilovsky und Florian Hein
Komposition: Jörg Gollasch
Regie: Noam Brusilovsk
Mit Sophie Rois, Stephan Wolf-Schönburg, Bernd Rademacher, Olga Hohmann, Flora Berg u.a.
Chor: WDR Kinderchor Dortmund
Leitung: Zeljo Davutovic
Produktion: WDR 2019