Florian Felix Weyh im DREIERPACK

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Portraotaufnahme des Autors Florian Felix Weyh
Der Autor Florian Felix Weyh © Deutschlandradio/Florian Felix Weyh
Von Klaus Pilger · 30.04.2021
Früh schrieb er Theaterkomödien und Hörspiele, spät fand er zum Radio-Feature. Geblieben ist ihm der Zugriff des Dramatikers auf seine Figuren: Wo der die Welt erforscht, werden die Interviewten zu Mitspielern im Theatrum mundi. „Es hat sich aber noch keiner darüber beschwert, dass er klug rübergekommen ist“, meint der Autor.
Geboren 1963 im rheinischen Düren, wächst Florian Felix Weyh in Baden-Württemberg auf. Der schwäbische PR-Slogan "Wir können alles. Außer Hochdeutsch" war zwar noch nicht erfunden, der Tatbestand aber schon vorhanden: "Als ‚Neigschmeckter‘ schrieb ich die besten Aufsätze in der Klasse", erzählt er, "und mein Berufsziel stand schon mit Zwölf fest." Irgendwas mit Worten nämlich. Schon zu Schulzeiten arbeitete er in Ulm für die Lokalpresse und erprobte am Stadttheater sein "ziemlich mäßiges" Talent als Kleindarsteller. Schauspielerei war keine Option – wohl aber, Schauspielern ihre Figuren zu entwerfen. Parallel zum Psychologiestudium in Köln schrieb er erste Stücke und gewann 1985 einen Einakterwettbewerb.
Irgendwas mit Worten
Der Einakter ("Massbach") wurde vom WDR als Hörspiel produziert, der Deutschlandfunk übernahm es. Weyh schmiss nach dem Vordiplom das Studium und stürzte sich aufs gesprochene Wort. Anderthalb Jahrzehnte war er hauptsächlich als Literaturkritiker für den "Büchermarkt" im Deutschlandfunk tätig, während er parallel an Theaterstücken und Libretti saß.
Dann kam eine Sinnkrise. Auf der Bühne kann man soziale Prozesse abbilden, aber keinen Erkenntnisfragen nachgehen; als Literaturkritiker reagiert man immer nur auf Vorgaben anderer. "Ich hatte schon im Deutschleistungskurs einen Aufsatz über Krebskrankheiten in der Literatur geschrieben", erzählt der Autor, "und damals bereits begriffen, dass ich eigentlich wild herumspekulieren will." Nicht akademisch, sondern essayistisch – doch Essays werden in Deutschland niedrig geachtet und selten publiziert.
Gesamtkunstwerk Feature
Im Radio allerdings gibt es ein Pendant dazu: das Feature. Seit Mitte der Nullerjahre bündelt Florian Felix Weyh dort seine Talente: die Neugier des Essayisten, die Dialoglust des Theaterschreibers, die Befragungstechnik und den Zuhörwillen des Psychologen, last not least das dramaturgische Fingerspitzengefühl, Musik, Text und O-Töne zu einem komplexen Ganzen zusammenzusetzen. "Im Grunde ist das Feature so etwas wie das ‚Gesamtkunstwerk‘, von dem das 19. Jahrhundert immer träumte", sagt der Akustik-Bastler mit Vorliebe für schräge Liedtext-Einsprengsel.
Dazu gehört freilich, die geeigneten, "welthaltigen" Themen zu finden. Ob Weyh sich fragt, wie Spielregeln entstehen und warum man sie sogar im wahren Leben befolgt ("Beim Halma gibt’s keinen Elfmeter", 2009) oder ob er Menschen aufspürt, die einen künstlerischen Traumberuf aufgegeben haben ("Die Kulturflüchter", 2013) – stets recherchiert er ergebnisoffen und überlegt die Erzählform erst, wenn alles Material vorliegt: Interviews, Literaturzitate, Musikanspielungen, historische O-Töne. Das kann dann auch in eine gefälschte Radiosendung aus einem Paralleluniversum münden, wenn es thematisch um kontrafaktische Geschichte geht ("Der Präsident erlitt nur einen leichten Streifschuss", 2015).
Doppelpack im DREIERPACK
Auch die Stücke im Freistil-DREIERPACK dokumentieren einen unbeschwerten Zugriff aufs Featurematerial. In "O Captain, my Captain" (2016), einer Suche nach dem idealen Lehrer, fasst Florian Felix Weyh alle Interviewten zu einer Schulklasse zusammen. Als Rahmenhandlung denkt er sich die Bachelor-Prüfung einer angehenden Lehrerin aus und kommt so in den Dialogen dem eigenen Vorleben als Dramatiker am nächsten. (Sendetermin: 30. Mai 2021)
In "Störung hören" (2010) führt ein fiktives Ehepaar durch eine Welt voller akustischer Irritationen, vom quietschenden Handschuhfach über Lungengeräusche bis hin zu Poltergeistern. Die Koproduktion mit dem SWR erspart Hörerinnen und Hörern auch unangenehme Töne nicht, denn genau darum geht es ja: Dass man akustisch erkennt, ob etwas nicht stimmt. (Sendetermin: 16. Mai 2021)
"Die Formel" (2011) zeigt den Autor als Ich-Erzähler auf der Sache nach der mathematischen Beherrschbarkeit der Welt. Getrieben wird er von seiner Erinnerung, als Kind die Weltformel gelesen, den Beleg dazu aber auf seinen zahlreichen Umzügen verloren zu haben. Er findet sie schließlich im Raritäten-Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek wieder – mitsamt der tragischen Lebensgeschichte des Weltformel-Entdeckers. Selbstredend hilft auch dessen Formel der Menschheit nicht weiter. (Sendetermin: 23. Mai 2021)
In allen drei Stücken dieses Freistil-DREIERPACKs führt Philippe Bruehl die Regie, denn Weyh und Bruehl bilden seit Jahren gewissermaßen ein Doppelpack.