Eine geschmeidige Einführung

Die hohe Kunst der Arschkriecherei

Eine Filmszene aus dem DDR Film 'Der Untertan' von 1951.
Nach oben buckeln, nach unten treten - Szene aus 'Der Untertan', DDR 1951. © imago / United Archives
Von Rolf Cantzen |
Eine gewisse Geschmeidigkeit im Umgang mit den Mitmenschen gilt als vorbildlich. Evolutionsbiologen halten sie sogar für überlebensnotwendig. Wer es aber zu weit treibt, gilt als Heuchler. Doch wo ist die Grenze?
Der Aufklärer Adolph Freiherr von Knigge empfahl sie: „… eine gewisse Geschmeidigkeit, Geselligkeit, Nachgiebigkeit, Duldung, zu rechter Zeit Verleugnung …“.
Tatsächlich ist es keinesfalls anstößig, kompromissbereit, kooperations- und kritikfähig zu sein und sich aufmerksam zu verhalten. Ein solches Sozialverhalten beobachten und analysieren Soziologen. Evolutionsbiologen ergründen die naturgeschichtlichen Dispositionen dieses überlebensnotwendigen Anpassungsverhaltens. Psychologen analysieren die seelisch-emotionalen Aspekte der willigen Integration ins Bestehende. Theologen wissen, welche spirituelle Kraft in der Demut und Hingabe liegen kann.
Zu vermeiden sind allerdings allzu offensichtliche Heuchelei und uneleganter Opportunismus. Doch wann werden Freundlichkeit und Anpassung zu schleimiger Unterwürfigkeit? Einem geübten Arschkriecher geht ein solches Verhalten in Fleisch und Blut über.

Die hohe Kunst der Arschkriecherei
Eine geschmeidige Einführung
Von Rolf Cantzen
Regie: Rita Höhne
Es sprachen: Peggy Lucac, Viktor Neumann, Frank Arnold und
Helmut Gauss
Ton und Technik: Alexander Brennecke
Redkation: Klaus Pilger
Produktion: Dlf 2012

Rolf Cantzen, 1955 im niedersächsischen Lingen an der Ems geboren, studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Germanistik in Hannover und Berlin. Er liebt Mehrdeutigkeiten, Irritationen, und Anarchistisches. Seine Art Kultur- und Geistesgeschichte lebendig, frech und ironisch zu erzählen, ist einzigartig im deutschen Radio. Egal ob er Sendungen über Einhörner macht, über die Arschkriecherei, die Schlaflosigkeit, Beleidigungen, den Giftmord – oder das Nichts: Der "Cantzen-Sound" ist sofort zu erkennen. Seine Radiosendungen leben von schnellen Anschlüssen, harten Schnitten, kurzen prägnanten Musiken und von seiner speziellen Art Umgangssprachliches neben Wissenschaftlichem zu platzieren und dadurch so manchen Aha-Effekt zu erzielen.
Drei von Rolf Cantzens schönsten Features werden als DREIERPACK an drei Septembersonntagen jeweils um 20.05 Uhr bei "Freistil" ausgestrahlt.
Am 8. September heißt es "Sexy, nett und sie kocht auch gut – Die künstliche Frau – Kulturgeschichte einer Männerphantasie", eine Sendung aus dem Jahr 2005, als es zwar noch keine Alexas oder KI-Geschöpfe gab, aber genug erstaunenswerte Ideen für ein großes Feature. In "Die hohe Kunst der Beleidigung – Ein kleiner Ratgeber" aus dem Jahr 2010, Sendetermin am 15. September, erfährt man viel über die Feinheiten mancher Unverschämtheiten.
In "Die hohe Kunst der Arschkriecherei – Eine geschmeidige Einführung", am 22. September im Programm, führt Rolf Cantzen schließlich in die unendlichen Tiefen menschlicher Abgründe.