Die unbeerdigten Toten

Von Andreas F. Müller · 01.07.2011
"Italien neigt zur Entstellung seines historischen Gedächtnisses", sagt der slowenische Schriftsteller Boris Pahor aus Triest. Mit sechs Jahren, 18 Jahre bevor in Deutschland die Synagogen brannten, erlebte er dort bereits eine erste "Kristallnacht".
Die Opfer waren Slowenen, ihre brennenden Kultureinrichtungen die Initialzündung für mehr als zwei Jahrzehnte Faschismus. Der Agressionskrieg an der Seite Nazideutschlands, der Bruch der Achse, Widerstand, Bürgerkrieg, Chaos und blutige Racheakte durch Titopartisanen - Italiens Geschichte ist voller Wechselfälle.

Das Land, insistiert der 98-jährige Pahor, erinnere sich nur, woran es sich erinnern wolle. Verklärungen, Verdrängungen, Verharmlosungen: Tatsächlich hat es einen klaren Blick auf die eigene Vergangenheit in Italien nie gegeben.

Und mit Beginn der Ära Berlusconi 1994 nimmt das Ganze noch eine weitere sehr bedenkliche Wendung. Auf seiner Reise durch die Erinnerungen Italiens stößt der Autor auf viel Irrationales, bisweilen Unheimliches, das in einem merkwürdigen Zusammenhang mit den Absonderlichkeiten italienischer Gegenwart zu stehen scheint.

RBB/DLF/WDR 2011