Das Feature

"Wo ich her bin, das gibt es nicht mehr"

Von Guido Graf |
Wie viele Antennen, Telefonhäuschen und Kriegsgräber? Sägemehl auf dem Boden der Fleischereien? Pferdefuhrwerke und Zeitungskioske? Was ist zu sehen? Alles wollte Uwe Johnson wissen über Jerichow, das Zentrum seiner "Jahrestage", über die fiktive Kleinstadt, in der die Familie Cresspahl lebt.
Dafür hat er sich von Freunden in der DDR zahllose Fragen beantworten lassen: "Da ich fand, dass der Laut dieses Namens an der Ostsee angenehm blaugrau (etwas als Luft und Fischgeruch) auf der Zunge liegt, habe ich mir ein Jerichow aufgebaut an der Ostsee." Die Kleinstadt Klütz zwischen Lübeck und Wismar ist das Vorbild für Jerichow. Im "Klützer Winkel" spielt auch schon sein Roman "Mutmaßungen über Jakob". Fünfzehn Jahre nach der Wende lassen sich aus dem Klütz von heute noch immer enge Fäden an Johnsons Jerichower Weltchronik knüpfen. Das Feature verschränkt Johnsons Erinnerungsunternehmen mit dem Blick auf die Abgründe, die ihn aus seiner Heimat getrieben haben. Im dritten Band der "Jahrestage" stellt Johnson Überlegungen über Jerichow an, wenn es "zum Westen gekommen" wäre: "Manchmal, und öfter benähmen sich die Jerichower als wären sie Klützer."