Das Feature

Tötung aus Mitleid

Oliver Tolmein |
Wenn es heute um "Euthanasie" geht, dann wird ein Zusammenhang mit der Ermordung behinderter Menschen im nationalsozialistischen Deutschland strikt geleugnet. Dass die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" eine Vorgeschichte hat, darüber ist wenig Exaktes bekannt.
Der Freiburger Ordinarius für Psychiatrie Alfred Erich Hoche gehörte zusammen mit dem Juristen Karl Binding kurz nach dem Ersten Weltkrieg zu den entschiedensten Verfechtern der Tötung aus Mitleid. Hoche, der glaubte, der Tod sei auch für schwer geistig Behinderte und psychisch Kranke eine Wohltat, war dennoch kein aggressiver Feind der Behinderten.

Der Doktorvater des Arztes und Schriftstellers Alfred Döblin bewunderte den Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud. Er veröffentlichte über den Sinn von Schmerzen und reflektierte das Zusammenspiel von Medizin und Literatur. Der "Euthanasie" im Dritten Reich stand er, mittlerweile emeritiert, ablehnend gegenüber, hatte aber auch nicht den Mut oder die Energie, seine Anfang der 20er Jahre entwickelten Thesen und Forderungen zu widerrufen.