Melancholie des Abschieds
Er überlebte Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen. Er zählt neben Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Ernst Bloch und Primo Levi zu den herausragenden europäischen Intellektuellen der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. 1978 entschied sich der Schriftsteller und Publizist Hans Mayer alias Jean Amery für den Freitod. 1976 hatte er noch in seinem radikalen Essay "Hand an sich legen" den Suizid als Ausbruch aus der "Logik des Lebens" erklärt, als einen humanen und würdevollen "Weg ins Freie".
Nach Jean Amerys Freitod ist es still um ihn geworden. Seit 2002 erscheint nun aber eine auf neun Bände angelegte Werkausgabe, und ihre Herausgeberin Irene Heidelberger-Leonard hat eine erste Biographie über Jean Amery vorgelegt. Damit ist sein Leben, ist vor allem sein Werk, sein "Lebens-Essay", der sich auf vielfältigste und produktivste Weise "von Verlusten nährt", zum ersten Mal in geschlossener Form nachzuvollziehen und im Zusammenhang heutiger Debatten zu reflektieren.