Das Feature

"Mein Wald, mein Leben"

Katrin Fritsch |
Wir müssen uns die Welt als Wald vorstellen: "Schön ist er, düsterschön und hehr." Dann sind wir schon fast in Schiefweg, wo 1872 Emerenz Meier geboren wurde. Das Bauernkind stahl sich die Zeit zum Lesen, schrieb, fing an zu dichten. Aber auf dem Hof und im Dorf wollte das keiner verstehen.
1897 erschienen ihre Erzählungen "Aus dem Bayerischen Wald". Ihr Name wurde bekannt. Man spielte Stücke von ihr, und die Zeitungen druckten ihre Texte. Karl Wolfskehl kam aus München, der junge Hans Carossa pilgerte zur "Volksdichterin". 1903 eröffnete sie in der Donaustadt Passau ein Künstlerlokal und war ihrer Zeit damit voraus: "Hätte Goethe Suppen schmalzen / Klöße salzen / Schiller Pfannen waschen müssen / Heine nähn, was er verrissen / Stuben scheuern, Wanzen morden / Ach die Herren wären alle / keine großen Dichter worden."

Emerenz Meier verarmte, und die Armut zwang sie dazu, nach Amerika auszuwandern. Weit weg von der Heimat wurde aus ihr eine pazifistische und sozialistische Publizistin. Der Wald war einmal die Welt, aber aus der Welt war längst Chicago geworden.

1928 starb die Dichterin im Elend. Sie hatte keinen amerikanischen, sondern bis zum Schluss ihren bayerischen Traum: "Mein Wald, mein Leben".