Das Feature

Ein Opfer seiner Zeit

Thomas Zenke |
Am 24. Juni 1922, gegen elf Uhr vormittags, verlässt Walther Rathenau seine Grunewald-Villa, um ins Auswärtige Amt zu fahren. Auf der Koenigsallee wird sein offener Wagen von einem Mercedes-Cabrio eingeholt. Schüsse peitschen. Rathenau sinkt zusammen.
Seit er zuerst als Wiederaufbauminister, dann als Außenminister in das Kabinett Wirth eingetreten war, sah sich Rathenau einer Hetzkampagne völkischer Kreise ausgesetzt. Sein Versuch, mit den Alliierten zu einer Verständigung in den Reparationsfragen zu kommen, wurde als "Erfüllungspolitik" angeprangert und seine Ausgleichs-Politik mit der Sowjetunion (Rapallo) als Beginn einer schleichenden Bolschewisierung Deutschlands. Rathenau repräsentierte für die Rechte das, was sie hasste: Er war Jude, Unternehmer, reicher Erbe, Intellektueller und Anhänger der Republik von Weimar.

Die jungen Attentäter aus "gutem Hause", durch Krieg und Nachkriegszeit desorientiert, wurden gesteuert von der rechtsextremen "Organisation Consul", die aus der Brigade Ehrhardt hervorgegangen war. Das Ziel der "Organisation": durch Mordanschläge die Linke zur Gegengewalt zu provozieren, um das Land ins Chaos zu stürzen und die verhasste Republik zu Fall zu bringen.