Das Feature

Die Wiege der Zukunft

Von Frank M. Raddatz |
Produktion: Deutschlandfunk 2004
Die Antike boomt. In den Theatern werden die alten Tragödien gefeiert wie zuletzt in der Weimarer Republik. Hollywood lässt die Schlachten Alexanders des Großen und den Trojanischen Krieg von den Starregisseuren Baz Luhrmann und Wolfgang Petersen aufwendig in Szene setzen. Die Troja-Ausstellung in Stuttgart, Braunschweig und Bonn brach alle Rekorde, obwohl die Ilias keine schulische Pflichtlektüre mehr ist.

Die Ilias zeigt auch, was unsere Zeit von der Antike lernen könnte. Weder propagierte Homer einen Krieg der Kulturen, noch degradierte er das auf der asiatischen Seite der Dardanellen gelegene Troja zum Schurkenstaat, denn das Göttliche waltet auf beiden Seiten der Front. Der Schauplatz der Ilias liegt in einem Kulturraum, von dem immer wieder entscheidende Impulse für die Geschichte Europas ausgingen. Der erste Philosoph, Thales von Milet, lehrte hier, dass, so will es der Mythos, die Gründung Roms das Werk des Trojaners Aeneas war.

Die Konjunktur des antiken Erbes fällt in eine Phase der europäischen Einigung, in der die Anfänge unserer Kultur richtungsweisend für die Suche nach einer gemeinsamen europäischen Identität sein könnten.