Das Feature

"Die Sehnsucht müsst ihr beiseite legen"

Nadine Dietrich |
"Die Sehnsucht müsst ihr beiseite legen", wurde den 350 vietnamesischen Kindern geraten, die Mitte der 50er Jahre aus den Dschungeldörfern Vietnams in die DDR fuhren. Vier Jahre lang lebten sie in Kinderheimen in Moritzburg und Dresden. Die DDR-Regierung wollte eigentlich Waisenkindern helfen, aber Vietnam schickte lieber die Kinder verdienstvoller Funktionäre in die weltenweit entfernte DDR.
Allein das Essen war für die Kinder ein Kulturschock! Der Salzhering wurde unterm Teller versteckt, und die Butter gleich ganz unter den Tisch geworfen. Und das, obwohl es damals in der DDR noch Lebensmittelmarken gab! Disziplin war den Kindern, die im Ersten Indochinakrieg aufwuchsen, ebenso fremd wie der korrekte, deutsche Umgang mit Taschengeld. Bei 38 Grad Hitze und über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit erinnern sie sich heute in Vietnam an die Weihnachtsfeste in Moritzburg und an Lebkuchen, die "wie Maikäfer schmeckten".

"Die Sehnsucht müsst ihr beiseite legen" - hatte der Heimleiter sie getröstet. Daran dachten viele Moritzburger während des Vietnamkriegs und in den harten Jahren des Wiederaufbaus, aber sie sehnten sich doch: nach der Sicherheit und der Ordnung in der DDR. Sie war ihr Paradies. Seit der Schock über die Wende in der DDR überwunden ist, bietet das wiedervereinigte Deutschland zumindest den politisch Unbelasteten neue Perspektiven.

Die Autorin hat einige der "Moritzburger" in Vietnam getroffen. Darunter der Dolmetscher der Deutschen Botschaft in Hanoi, der Leiter des Konservatoriums in Ho-Chi-Minh-Stadt, ein ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Vietnams, eine Professorin für Bodenkunde, ein lautstarker Kritiker der Kommunismus - so unterschiedlich ihre Lebenswege auch waren, der Aufenthalt in der DDR hat sie geprägt.

Manuskript zum Download

pf-021203.rtf