Das Feature

Die Einsamkeit der Freiheit

Stefan Berkholz |
Standhalten oder auswandern, gefangen bleiben wie in einem Käfig oder fliehen, die innere Emigration hinnehmen oder ins Exil gehen - vor dieser Entscheidung standen zwei ungarische Schriftsteller, die sich nie begegneten, doch vielfach berührten.
Vom einen, Sándor Márai, wissen wir nicht, ob er je eine Zeile vom anderen gelesen hat.

Für den anderen, den im Land gebliebenen Imre Kertész, war die Existenz des 1948 ins Ausland gegangenen Schriftstellerkollegen eine Orientierung und Herausforderung. Der Weggang stellte das eigene Bleiben in Frage. Márais Texte provozierten und trösteten zugleich.

"Er ist 1900 geboren, und ich bin 1929 geboren. Er ist noch in einer bürgerlichen Umgebung aufgewachsen mit ganz natürlichen Wertsystemen. Ich habe die Zerstörung aller Werte erlebt auf meiner Haut sozusagen, in Auschwitz und dann später im Kommunismus. Und das ist ein ganz großer Unterschied zwischen uns." So sieht Imre Kértesz seine Beziehung zu Sándor Márai heute.

Beide machten sich auf den langen Weg in die Freiheit, jeder auf seine Weise. Beide wurden nicht mehr heimisch in der Welt. Im literarischen Werk beider ist die Heimatlosigkeit zum Thema geworden.