Das Feature

Der unsichtbare Schriftsteller oder Das Tagebuch des Samuel Pepys

Von Christel Mertens |
Sechs in Kalbsleder gebundene Bände - 1818 wurden sie in der Bibliothek entdeckt, die ein gewisser Samuel Pepys nach seinem Tod der Universität Cambridge vermacht hatte. 27 Jahre alt ist der gebürtige Londoner, als er am 1. Januar 1660 anfängt, ein Tagebuch zu führen. Die letzte Eintragung datiert auf den 31. Mai 1669, 14 Jahre vor seinem Tod.
Pepys ist ein geradezu süchtiger Beobachter. Er hört und sieht und schreibt mit Lust auf. Das Fässchen Austern, der neue Samtrock, die Liebschaften, die Streitigkeiten mit der Ehefrau... alles findet im Tagebuch seinen Platz - gleichberechtigt neben der Krönung Charles II., der Pest, dem Zweiten Holländischen Krieg. Die Welt dreht sich um Samuel Pepys; aber er nimmt sich mit kritischer Offenheit wahr. Seine Lebensgeschichte ist auch die Geschichte eines sozialen Aufstiegs: wie aus dem Sohn eines Schneiders und einer Wäscherin ein angesehener und einflussreicher Bürger wird, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere bei der Marineverwaltung das Amt des Admiralitätssekretärs bekleidet. Das Tagebuch spiegelt also ein höchst eigenwilliges Individuum und zeichnet zugleich eine Karriere auf inmitten der Londoner Gesellschaft des 17. Jahrhunderts.