Das Aktmodell ist mein Koran
"Die Kunst ist meine Religion und das Aktmodell mein Koran", erklärt der algerische Bildhauer Abdeslam Graïne, der heute in Paris im Exil lebt. Als Präsident des Studentenkomitees kämpfte er 1992-94, in den Jahren, in denen die Gewalt in Algerien eskalierte, für eine akademische Ausbildung an der Kunsthochschule Algiers und für die Einführung von Aktmodellen. Er wollte die Schule zu einer Bastion gegen religiöse Intoleranz machen. Unterstützt wurde er von seinem Professor Khoder Boulaine und dem Vizepräsidenten des Studentenkomitees Abdenor Latrous. Als 1994 der Direktor der Kunsthochschule ermordet wurde, fand auch Graïnes Kampf für das Aktmodell ein jähes Ende, nicht aber sein Kampf für künstlerische Freiheit. Er gründete mit der Tänzerin Nabila Lafer die Performance-Gruppe 'Carpe diem', die mit öffentlichen Happenings das Militärregime und die Islamisten angriff. Gleichzeitig arbeitete Graïne als Bildhauer. Sein letztes Werk in Algerien war eine Statue des Präsidenten, der 1992 einem Attentat zum Opfer fiel, mit dem Titel "Wir wissen, wer Boudiaf ermordet hat".