Butcher‘s Block

Von David Lindemann · 17.02.2014
Bei Radio Deutschland, dem Programm einer deutschen Enklave irgendwo am Ende der Welt, bereitet man eine Kochshow vor. Während draußen auf den Straßen ein ethnischer Konflikt brodelt, zeigt sich auch im Sender, dass der Schein trügt. Exklusiv für online: Ein Gespräch mit dem Autor und Regisseur David Lindemann.
Der Radio Deutschland-Moderator hat seine Familie durch die Aufständischen verloren, die Maskenbildnerin ist Aktivistin des Radiosenders "Radio Freie Südstadt" und somit in großer Gefahr. Gemeinsam mit dem aus Ostwestfalen eingeflogenen Koch, einem Spezialisten für die Krisenküche, bereiten sie live eine Kürbissuppe zu.
Regie: David Lindemann (Gespräch siehe unten)
Mit: Ulrich Matthes, Jürgen Kuttner, Jule Böwe
Ton: Lutz Pahl

Produktion: DKultur 2014
Länge: 53‘41
(Ursendung)
David Lindemann, 1977 in Herford geboren, Regisseur, Theater- und Hörspielautor. Für DKultur u.a.: "Ulzanas Rache" (2005), "Das Wiegenlied vom Recht" (2007) und "Getränk Hoffnung" (2010). 2012 produzierte er die achtteilige Hörspielserie "Blaues Gras" für das Theater Freiburg.
Am Montag ist das Hörspiel "Butchers Block" auf Deutschlandradio Kultur zu hören. Wir haben mit dem Regisseur und Theater-Dramaturgen David Lindemann darüber gesprochen.
"Ich interessiere mich dafür, wie Kultur scheitern kann"
Gespräch mit dem Autor David Lindemann
Deutschlandradio Kultur: Herr Lindemann, mitten in einem Krisengebiet soll in einer Radio-Kochshow eine Kürbissuppe gekocht werden. Krise, Kochen, Kürbisse – hatten Sie gezielt eine Medien- oder gar eine Gesellschaftskritik im Hinterkopf bei dieser Geschichte?

David Lindemann: Mich interessiert das Kochen als Synonym für Kulturgüter im Allgemeinen. Das soll keine Kritik an der allabendlichen Kochshow sein. Ich mag Kochshows sogar, manche zumindest. Ich interessiere mich in dem Stück dafür, wie Kultur scheitern kann, dass es einen äußeren Rand gibt und es nicht immer hilfreich ist, als Kapitän bis zum Ende das Steuerrad zu halten. Deutschland ist, wie es im Stück heißt, der abgefederte (geografische) Mittelpunkt Europas. Mit unseren Diskursen kommen wir woanders vielleicht nicht immer so weit, wie wir wollen.
Deutschlandradio Kultur: Welche Diskurse helfen uns bei welchen konkreten Konflikten und Problemen heute nicht mehr viel weiter?
Die Diskurse über unsere Kulturtechniken. Die Kochshow ist kein Tiefpunkt, sie entsteht an einem sehr weit fortgeschrittenen Moment der kulturellen Evolution. Kultur meint Thematisierung der Gesellschaft durch sich selbst. Menschen stehen zusammen in der Küche. Da schwingt vieles mit, auch ein Moment der Gastfreundschaft. Wenn wir uns mit einem ethnischen Konflikt auseinandersetzen, dann haben wir in unserem Kulturkreis ein sehr differenziertes Instrumentarium zur Hand. Nation, Rasse, Religion scheinen uns bis ins kleinste Detail durchreflektiert, und das scheint mir auch gut so. Konfrontiert mit dem "rohen" Konflikt aber werden diese Instrumente zahnlos. Ich will das nicht bewerten. Es ist ein Problem, dessen Eintritt ich mir vorgestellt habe.
Ich verbinde mit dieser Thematik auch keine Medien- oder Gesellschaftskritik. Es geht für mich vielmehr darum: Wie fühlt es sich an, wenn ich mit dem, woran ich glaube, scheitern muss. Es ist nichts Falsches daran, Kürbissuppe zu kochen. Auch nicht im Radio oder Fernsehen. Es ist falsch, menschenverachtende Propaganda im Radio zu machen, wie es in Ruanda geschehen ist.
Deutschlandradio Kultur: Wir hören in "Butcher Block" Musik von Ihnen und Ihrer Familie. Welchen Hintergrund hat dieser persönlicher Einfluss?

Schauspieler Ulrich Matthes und Regisseur David Lindemann während der Produktion des Hörspiels "Butcher‘s Block".
Ulrich Matthes und Regisseur David Lindemann© Deutschlandradio - Anke Beims
David Lindemann: Die Bläser waren nicht nur Bläser und Verwandte, die meisten waren auch im ostwestfälischen Küchengeschäft tätig. Das ist die Region, wo ich herkomme. Das ist der Punkt, an dem das Stück auch etwas mit mir selbst zu tun hat. Mich interessiert die Distanz zwischen dem Privatistischen und dem Globalen. Ich habe das Gefühl, ich kann über das große Ganze nur sprechen, wenn ich mit den Fragen bei mir persönlich anfange.
Johannes Kuhlo hat die Posaunenbewegung gegründet, er kam aus meiner Heimatstadt und war ein glühender Hitlerverehrer und Antisemit. Ich bin in einem Posaunenchor musikalisch sozialisiert worden. Noch heute gibt es Posaunenmission in Entwicklungsländern. Chöre von hier spenden gebrauchte Instrumente in den "Busch" wo Chorleiter mit Wasserflugzeugen von Probe zu Probe fliegen. Diese politische Gesinnung ist heute aber nicht mehr gegeben. Auch haben sich die Chöre in der Region teils der bekennenden Kirche zugehörig gefühlt.
Das ist alles sehr ambivalent. Ich wollte gerne Laienmusiker aus meiner Heimat, die mir möglichst nah sind.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben für dieses Hörspiel mit Ulrich Matthes und Jürgen Kuttner zusammengearbeitet. Wie würden Sie die Produktion mit diesen zwei Charakterköpfen beschreiben?

David Lindemann:
... und Jule Böwe nicht zu vergessen, deren schönste Szene leider einem der Spielzeit geschuldeten Schnitt zum Opfer gefallen ist. Die Arbeit war angenehm, die Sprecher sehr unterschiedlich. Kuttner kannte ich von der Volksbühne, da hat man eine ähnliche Herangehensweise. Matthes habe ich bei der Arbeit kennen gelernt. Es war eine gute Zeit, auch mit den technischen Mitarbeitern. Ich komme immer wieder gerne in das Studio.
Das Interview führte Jana Demnitz